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„Borat 2“ bei Amazon Prime: Amerika, da ist er wieder!

Er ist wieder da: Sacha Baron Cohen spielt 16 Jahre später noch einmal den kasachischen Reporter Borat.

Er ist wieder da: Sacha Baron Cohen spielt 16 Jahre später noch einmal den kasachischen Reporter Borat.

Borat Sagdijew lernten wir vor 14 Jahren kennen, als der kasachische TV-Reporter uns gleich mal eine Blondine, mit der er halstief zungenknutschte, stolz als „meine Schwester, Nummer-vier-Prostituierte von ganz Kasachstan“ vorstellte. So einer also. In Borats Heimat gab es hochverehrte Dorfvergewaltiger, die Kinder spielten mit Kalaschnikows, Korruption galt als Tugend, und das größte Fest im kleinen, verfallenen Dorf war die jährliche Judenhatz: Jugendliche jagen da zwei Träger gehörnter Teufelsmasken über einen eingezäunten Anger. Antisemitismus war für den konformen Kasachen Borat so normal wie sein Schnurrbart. Außerdem waren ihm noch „Usbeken-Arschelochen“ und „Zigeuner“ verleidet. In Amerika, speziell in Pamela Andersons Brüste, war er dagegen ganz vernarrt. Und so zog er los ins „promised land“.

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„Borat 2“: Am Humor hat sich nichts geändert

Inzwischen ist die Sache mit den Teufelsmasken im Film-Kasachstan verboten. Und Borat pickelt zu Beginn seines zweiten Films (ab 23. Oktober bei Amazon Prime Video) in Sträflingsmontur im Gulag-Steinbruch. Mit der Wirtschaft Kasachstans sei es nach seinem ersten Film stark bergab gegangen, sagt er. Das Ansehen des Landes habe auch schwer gelitten. „Öffentlich gedemütigt“ sei er worden, proklamiert er in seinem breiten, beleidigten Kasachenglish. Und die Kamera zeigt eine Rückblende: Borat – in seinem berühmten Mankini – breitbeinig an der Spitze einer „Hau den Lukas“-Säule, an der ihm ein kasachischer Mann von Hufschmiedstatur den Lukas mit dem Vorschlaghammer ins Gemächt haut. Am Humor des britisch-jüdischen Comedians Sacha Baron Cohen hat sich nichts geändert.

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Der Clou: Meet und Greet von Dichtung und Wirklichkeit

Der Clou der Borat-Filme war und ist das knallkomische Meet und Greet von Dichtung und Wirklichkeit: Borat, gespielt von Cohen, ist eine Kunstfigur, die mit ihrer derb-fröhlichen Naivität an echte Menschen herantritt und deren soziale und sonstige Problemzonen offenlegt. Die, an die er vor 14 Jahren herantrat, waren Amerikaner, die sich dem vermeintlich debilen Fremdling haushoch überlegen fühlten. Was sie unvorsichtig machte und was einen äußerlich wüsten, dabei doch tiefsinnigen Film ergab.

Der damalige Nebentitel „Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen“ passt auch zum während des Covid-19-Lockdowns gedrehten „Borat 2“, der – in voller Länge – „Borat Subsequent Moviefilm: Delivery of Prodigious Bribe to American Regime for Make Benefit Once Glorious Nation of Kazakhstan“ heißt – in etwa: „Borats nachfolgender Film: Anlieferung eines wunderbaren Bestechungsgeschenks an das amerikanische Regime zum Nutzen der einst glorreichen Nation von Kasachstan“.

„McDonald Trump“ so nennt Borat den Mann, dem er seine Freilassung verdankt. Denselben Respekt, den der US-Präsident für Putin, Kim Jong Un und andere Despoten übrig hat, will der kasachische Staatschef für sich. Und das soll der Amerika-Kenner Borat für ihn einstielen, sonst droht ihm die Exekution. Dem US-Vize Michael Pence soll er den kasachischen Kultusminister, einen Schimpansen, als Geschenk überreichen.

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Problem: Borat wird in den USA erkannt

Mit „Johnny the Monkey“ und seinem 15-jährigen „weiblichen Sohn“ Tutar (Maria Bakalova) besucht Borat noch kurz sein Dorf, um dann in einem rostigen Frachtboot gen Amerika zu schippern. Wo der Zuschauer erleben darf, dass Borat auf der Straße sofort erkannt wird. Der Kinokasache ist längst Kult in den US of A, die er genasführt hat. Schnell wird das Problem des Films klar: Der zweite ethische Lackmus-Test per Guerrilla-Taktik dürfte nicht so leicht zu bewerkstelligen sein. Borat muss sich schwer verkleiden. Die taubengraue Anzughose auszuziehen und stattdessen im Schlüppi durch die Straßen zu ziehen, reicht nicht aus. Die Maskeraden aber schwächen den Film. Borat ist nur cool im Borat-Look.

Natürlich ist es lustig, wenn der rassistische, chauvinistische Blödel Borat nach all der Zeit Update-Schwierigkeiten hat – etwa bei seiner ersten Begegnung mit einem Smartphone. Er hält den Verkäufer im Display für einen Dämon und will sich für ein Pornopäuschen mit dem iPhone auf die Shoptoilette verziehen. Natürlich ist es auch lustig, wenn Borat die verschwörungsverstopften Qanon-Köppe vorführt oder ein amerikanischer Händler ihm ohne Wimpernzucken einen Käfig für seine Tochter verkauft.

„Borat 2“: Mit Giuliani gelingt Cohen der größte Coup des Films

Aber während uns der erste Film zeigte, was wir von Amerika ahnten, zeigt uns der zweite nur, was wir seit vier Jahren ganz offen über das Land des Pussygrabscherpräsis wissen. Zuweilen bleibt einem angesichts des hier sichtbaren Rassismus und ungenierten Frauenhasses weißer Männer in den USA freilich immer noch das Lachen im Halse stecken. Und wenn Borat in einer Synagoge als Holocaust-Leugner auf eine Jüdin trifft, die die Vernichtungslager überlebte, zeigt der Jude Cohen die unfassliche Virulenz des Antisemitismus in der westlichen Welt 75 Jahre nach der Befreiung der NS-Vernichtungslager.

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Sein größter Coup ist aber – zum Ende des Films hin – eine Szene, in der sich der frühere Bürgermeister von New York und jetzige Trump-Kumpan Rudolph Giuliani moralisch dermaßen bloßstellt, dass er politisch erledigt sein müsste. Nach früheren Maßstäben.

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Cohen wollte den Film unbedingt vor der Wahl fertig haben, um den Trump-affinen Amerikanerinnen zu zeigen, wen oder was sie da wählen. Man darf indes sicher sein, dass dessen weibliche Gefolgschaft sich vor dem Urnengang keiner anderthalbstündigen „Borat-Belehrung“ auf Amazon unterziehen wird. „Use your brain“, rät eine schwarze Frau der unaufgeklärten Borat-Tochter Tutar und stößt damit deren Befreiung von Borats Patriarchat an. Und dieser Satz ist eigentlich auch Wahlhilfe genug – nicht nur für Frauen – für den 3. November: „Nutze dein Gehirn.“

„Borat 2“, bei Amazon Prime Video, 95 Minuten, Regie: Jason Woliner, mit Sacha Baron Cohen, Maria Bakalova (streambar ab 23. Oktober)

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