„Game of Thrones“-Nachfolger? So ist Netflix‘ Fantasyserie „The Witcher“
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Es kann nur einen geben: „Superman“-Darsteller Henry Cavill ist mit der Rolle des Hexers Geralt in die Fantasy-Gefilde übergewechselt.
© Quelle: Netflix
Ein zartes Rehlein steht in einem ungastlichen Nebelwald, der aussieht, als wüchsen in ihm Knochen in den Himmel statt Bäume. Es hätte sich besser einen friedlicheren Ort zum Äsen gesucht, denn im Nu befindet es sich mitten auf einem Kampfschauplatz. Ein Monsterjäger und ein Monster springen mit einem Mal und viel Getöse aus dem nahe gelegenen Sumpf und prügeln sich vor seinen Augen auf Leben und Tod.
Schwert gegen Klauen – da hat die Tier gewordene Unschuld keine Chance. Am Ende brät sich der Monsterjäger das vom Monster tödlich verletzte Rotwild. Es verdirbt eben nichts in der mittelalterlich anmutenden Welt des Recken Geralt von Riva. Höchstens die Sitten.
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So startet die neue Netflix-Serie „The Witcher“ (streambar ab 20. Dezember), auf die zahllose Fantasy- und Computerspielfans schon höchst ungeduldig warten. Eine erste filmische Umsetzung der Kurzgeschichten und Romane des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski lief 2001 unterhalb der internationalen Achtungserfolgschwelle.
„The Witcher“ - Netflix entschied sich für eine Serie, genug Stoff war da
Ursprünglich wollte man aus den Vorlagen diesmal nur einen Kinofilm schneidern, dann aber entschied sich Netflix im Frühjahr 2017, Butter bei die Fische zu geben. Genug Stoff war ja vorhanden und das Ende der Überserie „Game of Thrones“ (GoT) von HBO war damals auch schon beschlossene Sache. Eine Lücke, die derzeit ja auch die Serie „His Dark Materials“ nach den Romanen von Philip Pullman (bei Sky) füllen will.
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So wird die Geschichte vom „Witcher“ nun eben in aller Ruhe von zunächst acht Episoden erzählt (eine zweite Staffel ist schon bestellt). Man wird Augen- und Ohrenzeuge, wie das südliche Königreich Nilfgaard das nördliche Cintra überfällt. Wie kleine Leute tödlich in die Streitigkeiten der Mächtigen hineingezogen werden. Wie eine junge Prinzessin namens Renfri sterben soll, aber dank der Triebe ihres gedungenen Mörders überlebt – eine ‚Brutalovariante‘ von Schneewittchen.
Und wie der Hexer und Auftragsmonsterkiller Geralt auf Prinzessin Cirilla, die flüchtige Erbin von Cintra, trifft, die von einem Assassinen verfolgt wird und die er schützt.
„The Witcher“ ist eine Serie für Sapkowski-Spezialisten
Es ist eine Welt voller Ressentiments, in der die Menschen sich als Herrenspezies gebärden und – ähnlich wie in Amazons „Carnival Row“ (noch so ein hoffnungsvoller Aspirant auf die „GoT“-Krone) – einen Genozid unter Elfen angerichtet haben. Beide Spezies sind durch die sogenannte Sphärenkonjunktion aufeinander gestoßen, ein Sich-Überschneiden von Parallelwelten rund 1500 Jahre vor der Handlungszeit. Der Begriff fällt nur einmal kurz, der Zuschauer darf sich den Rest zusammenreimen.
Auch die Geografie des Kontinents muss er sich vorstellen. Wehmütig erinnert man sich der dreidimensionalen Karte, die im Vorspann von „Game of Thrones“ von der Kamera abgeklappert wurde. Allerhand Charaktere prasseln auf das Publikum ein, aber die wenigsten – etwa die Bauerntochter und Zauberschülerin Yennefer von Vengerberg (Anya Chalotra) – sind markant genug, um sich im Gedächtnis zu verankern.
Und dann wird man auch noch auf zwei Zeitebenen geführt, ohne davon zu wissen. „The Witcher“ ist, das merkt man bald, am ehesten eine Serie für Leute, die Sapkowskis Welt bereits literarisch durchreist haben.
„The Witcher“ hat Schwächen in Dialog und Figurengestaltaltung
Henry Cavill schlüpft in die Rolle des magisch begabten Helden, der mit den zwei Schwertern (eins aus Stahl für menschliche Gegner, eins aus Silber für Monster) in Nullkommanix zusticht, durchbohrt, enthauptet. Mit seinen langen blonden Haaren wirkt der einstige Superman-Darsteller wie ein Verschnitt aus Christopher Lamberts Highlander und Orlando Blooms Elb Legolas aus den „Herr der Ringe“-Filmen.
Die Dialoge klingen so: „Du gibst hier keine Befehle, du Mutantensohn einer Hure!“ Sprechtext, der ohne große Einfühlung für Zeit und Umstände entstanden ist. Worte für Charaktere, die ohne tieferes Nachdenken auf den Bildschirm gehievt wurden. Und wenn Geralt dann auch noch mit seinem Gaul redet („Weißt du noch – mein erstes Monster?“), denkt man an den Indianerjungen „Yakari“ und an Goscinnys Comic-Cowboy „Lucky Luke“ und ist froh, dass der brave Braune namens Plötze nicht plötzlich antwortet: „Laber nicht, schieb' mal lieber 'ne Kelle Hafer rüber.“
Die Optik ist die Stärke von „The Witcher“
Optisch ist vieles optimal. Farbentsaugte Bilder geben dem Serienwinter ein frostiges Gepräge. Fantastisches Gelichter wie die vampirischen Striegen und die skorpionartigen Kikimoren sieht hier herrlich scheußlich aus. Zudem sind die Klingentänze mit singendem Stahl gut choreografiert und wenn die Heerscharen der verfeindeten Lande aufeinandertreffen, müsste man eigentlich eine Gedenkminute für Tolkiens Ringherren Sauron einlegen und wie Peter Jackson die Heeresaufmärsche von Edelmut und Niedertracht inszenierte.
Wohingegen manche Schänke oder Schlosskulisse zu plastikhaft sauber anmutet und der Einspänner der Hexenlehrerin Tissaia („Ripper Street“-Star MyAnna Buring) mit seinen filigranen Speichen aussieht wie ein Gefährt zu den Wildwestzeiten von „Bonanza“ und „Rauchende Colts“. Etwas mehr Mediävistik hätte dem Design gut getan.
Serienerschaffen ist keine Hexerei
Vier Folgen wurden zur Vorabsichtung überlassen. Danach ist man zwar nicht gerade enttäuscht, vermisst aber doch das erzählerische und gestalterische Niveau von „GoT“, dem die Serien „Carnival Row“ und „His Dark Materials“ näher kommen. Und man befindet wieder mal, dass gutes Serienkreieren keine Hexerei ist, sondern in erster Linie eine Frage der Sorgfalt.
Das Schicksal der Figuren von „The Witcher“ bewegt einen kaum. Angerührt sind allenfalls die Älteren im deutschen Publikum ob der Währung, mit der in Cintra Güter und auch schon mal Menschen verhökert werden: Die bucklige Yennefer wechselt ihren Besitzer für gerade mal vier – Mark!