Ringen um Normalität

Alltagsrassismus in der deutschen Vorstadt: die ZDF-neo-Serie „I Don‘t Work Here“

Dawit (Akeem van Flodrop) und seine Frau Laura (Sina Martens) in einer Szene der Serie „I Don't Work Here“.

Dawit (Akeem van Flodrop) und seine Frau Laura (Sina Martens) in einer Szene der Serie „I Don't Work Here“.

ZDF neo ist der ZDF-Ableger für urbane, moderne, tendenziell akademisch geprägte Zielgruppen. In Formaten von „Deutscher“ bis „Unbroken“, von „Deadlines“ bis „Vierwändeplus“, von „Doppelhaushälfte“ bis „Start the Fck up“ streut der Sender so klischeefrei Migrationshintergründe ins Serienpersonal, dass „I Don‘t Work Here“ fast schon aus dem Raster fällt. Schließlich bedeuten Herkunft oder Hautfarbe darin alles. Und nichts. Ein toller Kunstgriff von Headautorin Romina Ecker.

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Wie auch ihr neo-Thriller „Breaking Even“ stellt die tiefschürfend komische Mittelstandsmilieustudie permanent Herkunfts- und Hautfarbfragen in den Fokus, ohne sie ins Schaufenster zu stellen. Achtmal 23 Minuten versucht sich der Werber Dawit (Akeem van Flodrop) mit seiner freigeistigen Frau Laura (Sina Martens) plus Kind im Keller der Schwiegereltern am Kleinfamilienalltag. Trotz räumlicher Enge und übertriebener Nähe eigentlich kein Problem – wäre Dawit nicht schwarz, was in der Vorstadtidylle aus dem Raster fällt.

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Unter der Regie des Österreich-Iraners Arman T. Riahi bemüht sich die Patchworkfamilie demnach zwar redlich, aber vergeblich um Normalität. Wenn Dawit mit Gesichtsmaske und Bademantel versucht, sein eigenes Auto ohne Schlüssel zu öffnen, sieht ein vorbeifahrender Polizist darin eine Straftat, kultiviert also, was die hitzige Laura „racial profiling“ nennt: ein fremdenfeindliches System, das sich zwei Szenen später wieder meldet, als Dawits Nachbarin Eva mit einer Haarnadel das zugefallene Schloss öffnet und derselbe Polizist Einbruch wittert.

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Rassismus anprangern, ohne ihn anzuprangern

Oberflächlich klingt „I Don‘t Work Here“ somit nach der nächsten Culture-Clash-Comedy-Produktion über das störungsanfällige Aufeinanderstoßen unterschiedlicher Abstammungsbiografien. Hintergründig gelingt es Riahi und Ecker dabei, Alltagsrassismus so zu schildern, dass er präsent, zugleich aber beiläufig bleibt. Und ganz nebenbei zeigen sie, wie dessen Objekte ihr Scherflein zur wechselseitigen Ignoranz beitragen. „Die mögen dich“, meint Laura beim Streit über abweisende Nachbarn. „Die sagen nicht mal Hallo“, entgegnet Dawit. Ob der denn Hallo sage, hakt sie nach. „Nee“, antwortet er, „soll ich jetzt Hallo sagen, damit die Hallo sagen?“ Pause. „Das ist ein Fake-Hallo.“ Mit Dialogen wie diesen bringt „I Don‘t Work Here“ das Scheitern alltäglicher Kommunikationsmuster so unterhalt- wie bedeutsam auf den Punkt und pflückt auch sonst fröhlich Zankäpfel vom Baum der Erkenntnis. Generationenkonflikte zum Beispiel, wenn Peter Lohmeyer und Gabriela Maria Schmeide als Lauras Eltern um die Aufmerksamkeit der Enkelin Fiyori kämpfen, dabei jedoch dauernd in die Privatsphäre ihrer Eltern eindringen.

Dieses Scheitern zeigen auch die Ehekonflikte zwischen Dawits Mutter (Dennenesch Zoudé) und seinem Vater (Selam Tadese). Die Schauspielerin und gebürtige Äthiopierin Dennenesch Zoudé, Grande Dame für zugewanderte Mittelstandsrollen im deutschen Fernsehen, spielte bereits in Verfilmungen wie dem Simmel-Drama „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ eine Deutsche. Hier liefert sie sich Wortgefechte mit Dawits Vater, dem scharfzüngigen Klugscheißer Senait.

Beide vervollständigen ein Ensemble mit Mission: Rassismus anzuprangern, ohne ihn anzuprangern, und zwar mit einem Mittel, das effektiver wirkt und der Dummheit viel pfiffiger den Garaus macht: auslachen. Wenn dann noch andauernd der Internetsatiriker El Hotzo ungefragt mit einer Sockenpuppe seinen Senf dazu gibt, lacht das Publikum garantiert mit.

„I Don‘t Work Here“, mit Peter Lohmeyer, in der ZDF-Mediathek ab heute streambar; am 11. April, 21.45 Uhr, bei ZDF neo im linearen TV

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