Wem die Geisterstunde schlägt: „American Horror Stories“ bei Disney+
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Nein, das ist nicht Catwoman mit Mund- und Nasenschutz: Scarlett (Sierra McCormick) in einer Szene der „American Horror Stories“-Folge „Rubber(Wo)Man“.
© Quelle: FX
Es gibt Häuser, die fressen Leute, das weiß doch jeder. Da geht man nur rein, wenn man so gar keine Antennen hat. So wie das Dylan McDermott und Connie Britton taten, die zu viel mit ihrer Ehekrise zu tun hatten, damals 2011, in der ersten Staffel von „American Horror Story”. Das Haus war so raffiniert, dass die lieben Bewohner und Bewohnerinnen nicht sofort Fersengeld gaben.
Und schon nach wenigen Folgen stand im Mittelpunkt dieser Serie plötzlich eine Hausgemeinschaft von Geistern, die einander nicht grün waren und die die Menschen ihrer Umgebung – bedingt durch die besondere Sphäre des Hauses – berühren, verführen und vernichten konnten. Der Zuschauer fragte sich: Ist dieses Haus beleidigt, weil es all seinen Bewohnern Verderben bringt? Ist es einsam, dass es Verstorbene sammelt? Und ganz nebenbei gab es auch noch einen Lösungsversuch zu dem berühmten Mordfall der „Schwarzen Dahlie” von 1947, der Brian De Palma 2006 einen Kinofilm widmete.
Kurzgeschichten aus dem Reich des Gruseligen
Das Kultkostüm aus „American Horror Story 1“ kehrt zurückichten aus dem Reich des Gruseligen statt einer Story pro Staffel. Quasi als Hommage beginnt die neue Disney+-Serie mit der Doppelfolge „Rubber(Wo)Man”, die in einem Haus spielt, das ein schwules Paar (Matt Bomer, Gavin Creel) mit seiner lesbischen Tochter Scarlett (Sierra McCormick) bezieht. Die Männer, beide antennenlos, wollen aus dem als Spukhaus verschrienen, äußerlich gar nicht so unheimlichen Bau ein Urlaubsdomizil für Horrorfans machen, die 16-jährige Scarlett hat ein Geheimnis und das Haus erst recht.
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Das Kultkostüm aus „American Horror Story 1″ kehrt zurück
Jedenfalls ziehen die Macher Brad Falchuk und Ryan Murphy, die auch für die Mutterserie verantwortlich zeichnen, das handelsübliche Schreckensregister. Plötzlich rollt da eine rote Billardkugel in Scarletts Zimmer, Schatten ohne zugehörige Körper huschen über den Boden, eine Schranktür öffnet sich von allein quietschend, und die Filmmusik (die Scarlett Gott sei Dank nicht auch noch hören kann), klingt, als fahre jemand mit schmalen Vampirfingern über einen Gläserrand. Im Schrank liegt ein Latexkostüm, und bevor Scarlett auch noch dessen hässliche Haube aufsetzt, erinnert sie ein wenig an die sexy „Karate”-Emma Peel aus „Mit Schirm, Charme & Melone”.
„American Horror Story”-Fans kommt die schwarze Gestalt aus der ersten Staffel der Mutterserie unheimlich bekannt vor. Und das Kostüm, das sich partout nicht entsorgen lassen will, steigert dann die sowieso vorhandene Neigung zu Gewalt bei Scarlett. Im Handumdrehen hat entsprechend auch diese Geschichte eine Hausgemeinschaft von Geistern, die einander nicht grün sind – zumindest vorläufig. Geister, die Menschen berühren, verführen und, na ja, Sie wissen schon – alles wie gehabt.
Die Kürze der Stories geht auf Kosten der Charaktere
In der Kürze liegt nicht unbedingt die Würze. Gut, Gruselgeschichten wurden in Zeiten von „SRI und die unheimlichen Fälle” oder der guten alten „Twilight Zone” schon in deutlich weniger als einer Dreiviertelstunde erzählt. Was aber bei den „American Horror Stories” zwangsläufig auf der Strecke bleibt, ist die Charaktergestaltung. Einzig Scarlett behält man in Erinnerung, die Väter Michael und Troy (– er ist nicht sonderlich treu –) bleiben Schablonen, wie auch der Rest vom Geisterfest.
Die dritte von nur drei den Medien bereitgestellten Episoden heißt „Drive-In” und erzählt von zwei Teenagern, die sich trennen, weil der Junge (Rhenzy Feliz) mit dem Mädchen (Madison Bailey) schlafen wollte, das Mädchen aber (noch) nicht mit dem Jungen. Chads beste Kumpel schlagen eine Versöhnung mit Kelly bei einem Horrorfilm im Autokino vor. Sie fürchtet sich dann schnell und liegt in seinen Armen, so die Klischeevorstellung der Freunde.
Dem Film in der Serie eilt nun allerdings die „urbane Legende” voraus, dass es bei seiner einzigen Aufführung vor 35 Jahren Mord- und Totschlag gab. Während auch die zweite Aufführung einen mächtigen Blutzoll fordert, bekommen Chad und Kelly nichts davon mit. Sie haben sich schon versöhnt und vom Knutschen sind die Autoscheiben beschlagen. Es ist wie in „The Ring” – wer den Film (oder das Video) nicht sieht, der ist nicht betroffen.
Beide Geschichten enden damit, dass sich den Urhebern allen Horrors, die weit entfernt von aller Blutrunst unbehelligt leben, die Rache in Gestalt der Überlebenden nähert. Des Todes ist inzwischen nicht mehr nur, wer Sex hat oder zu viel an ihn denkt, sondern neuerdings auch, wer nicht wieder gut zu machenden Schabernack in den sozialen Medien anstellt. Damit ist der Horror wie so oft tugendhaft und moralisch. Und – vor allem im Vergleich zur Mutterserie – auch ein bisschen langweilig.
„American Horror Stories”, sieben Folgen, von Brad Falchuk, Ryan Murphy, mit Sierra McCormick, Rhenzi Feliz, John Carroll Lynch (ab 8. September bei Disney).