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Ohnmächtig nach Corona-Impfung

„Ich bin nicht gestorben“: Wie eine Krankenschwester Opfer von Impfgegnern wurde

Eine Person erhält einen Covid-19-Impfstoff in einer regionalen Impfstelle im US-Bundesstaat Texas. (Symbolbild)

Eine Person erhält einen Covid-19-Impfstoff in einer regionalen Impfstelle im US-Bundesstaat Texas. (Symbolbild)

Es waren harte Jahre für Tiffany Dover. Ein Tag im Dezember 2020 veränderte ihr Leben. Es war eine aufopferungsvolle Zeit für die Krankenschwester, die ungewollt internationale Berühmtheit erlangte. Es waren Jahre, in denen Dover von Anhängerinnen und Anhängern von Verschwörungserzählungen für tot erklärt wurde – tot angeblich wegen einer Impfung gegen das Coronavirus.

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„Ich bin an jenem Tag nicht gestorben – aber das Leben, das ich kannte“, sagte die Frau dem US-Sender „NBC News“ und brach damit erstmals seit dem Vorfall von vor rund zwei Jahren und vier Monaten ihr Schweigen. Damals war sie leitende Krankenschwester einer Covid-19-Intensivstation am CHI Memorial Hospital von Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee. Und als solche sollte sie einer der ersten Menschen in den USA sein, die gegen das Coronavirus geimpft wird.

Die Impfstoffe erreichten die USA in einer besonders schwierigen Phase der Pandemie. Viele Menschen starben an dem Virus. „Es gab Zeiten, in denen es sich hoffnungslos anfühlte“, beschreibt die Krankenschwester die Zeit. Es habe sich angefühlt, „als wären wir eine Palliativstation. Tod nach dem Tod, nach dem Tod.“ Der 17. Dezember 2020, an dem sie geimpft wurde, sei deshalb ein besonderer Tag für sie gewesen. Mit den Vakzinen habe sie große Hoffnung verbunden. Hoffnung, dass das Sterben endlich aufhören würde.

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„Ich wollte so gerne erzählen, was dieser Impfstoff für mich bedeutet“

Doch der Tag war besonders stressig für sie. Sie habe nicht einmal Zeit gehabt, Mittag zu essen, bevor sie ihre Impfung bekommen sollte. Und dazu war der Medienrummel im CHI Memorial Hospital groß. Dover bekam ihre erste Dosis und wurde dann um ein kurzes Interview gebeten. „Ich wollte so gerne erzählen, was dieser Impfstoff für mich bedeutet“, sagte sie gegenüber, „NBS News“. Doch ihr Körper machte die Strapazen nicht mit. Mitten im Interview fiel die Krankenschwester in Ohnmacht.

Was danach kam, gleicht einem Albtraum. Binnen 24 Stunden wurde Dover zur Internetberühmtheit. Die Szene ihres kurzen Moments der Schwäche wurde vielfach in sozialen Medien geteilt und gelangte schließlich auch in die Hände von Kanälen, die Verschwörungserzählungen verbreiten. „Ja, ich bin ohnmächtig geworden. Das kann eine Nebenwirkung sein. Man kann ohnmächtig werden, wenn man geimpft wird, aber das ist in Ordnung, denn es kann einem auch das Leben retten. Das ist es also wert“, sagte sie.

Dass sie kurz nach ihrer Bewusstlosigkeit dem Fernsehreporter versicherte, dass sie generell anfällig dafür sei, ohnmächtig zu werden, wenn sie Schmerz empfinde, erreichte hingegen kaum mehr das Publikum in den sozialen Netzwerken. Stattdessen erklärte man die Krankenschwester kurzerhand für tot – inklusive gefälschter Sterbeurkunden.

Dovers Arbeitgeber verhindert ein Gegenstatement in sozialen Netzwerken

Einmal im Internet gepostet, war die Verbreitung des folgenschweren Gerüchts kaum mehr aufzuhalten. Eine unrühmliche Rolle dabei habe laut dem Bericht jedoch auch Dovers Arbeitgeber, das CHI Memorial Hospital. Denn angesichts der großen Aufmerksamkeit für das Thema habe man der Krankenschwester nahegelegt, weder unbekannte Anrufe anzunehmen noch Dinge in sozialen Netzwerken zu posten. Eigentlich plante Dover, in den sozialen Netzwerken ein Videostatement veröffentlichen. Stattdessen wollte das Krankenhaus die öffentliche Kommunikation übernehmen.

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Doch das ging gehörig schief: Das CHI Memorial Hospital teilte in den sozialen Netzwerken selbst ein Video, das mittlerweile gelöscht wurde. Darin ist Dover zu sehen, wie sie von ihrem Kolleginnen und Kollegen umgeben auf einer Treppe steht. Niemand sagt ein Wort, lediglich Schilder werden in die Höhe gehalten, auf denen das Pflegepersonal ihre Unterstützung für die Kollegin zum Ausdruck bringt. Alle Menschen in dem Ausschnitt tragen medizinische Masken. Dover selbst war kaum zu erkennen. Wasser auf die Mühlen der Verschwörungserzählenden.

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„Das machte die Leute misstrauisch, denn wenn es mir gut geht, warum rede ich dann nicht einfach? Warum stehen wir da?“, erzählte Dover gegenüber „NBC News“. Die Impfgegner im Internet machten schon bald eine Kollegin der Krankenschwester ausfindig, die ihr sehr ähnlich sieht, und behaupteten, dass es sich bei der Person im Video gar nicht um Dover handelte. Die Kollegin erhielt Morddrohungen, ihre Familie wurde belästigt. „Es war sehr beängstigend und frustrierend“, erinnerte sich Dover. Und abermals handelte die Krankenhausführung defensiv, entschied sich dazu, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

„Wie viele Menschen haben sich meinetwegen nicht impfen lassen?“

So nahmen die Verschwörungserzählungen weiter ihren Lauf. Bald sprangen auch Anhängerinnen und Anhänger der QAnon-Bewegung auf den Zug auf und bezichtigten Dover, an einem Pädophilenring beteiligt zu sein. Auch in ihrem eigenen Zuhause wurde sie von Gegnern der Corona-Vakzine aufgesucht und belästigt. Und auch Befürworterinnen und Befürworter der Impfstoffe nahmen die Krankenschwester aufs Korn. Sie habe dafür gesorgt, dass noch mehr Menschen die Impfung ablehnten, lautete der Vorwurf. „Das war schwer zu verarbeiten. Wenn die Leute meinen Namen und meine Geschichte benutzen, um zu sagen: ‚Lasst euch nicht impfen‘, wie viele Menschen haben sich dann meinetwegen nicht impfen lassen? Das ist hart.“

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Mittlerweile hat die Krankenschwester ihren Job am CHI Memorial Hospital von Chattanooga aufgegeben. In die sozialen Netzwerke ist Dover aber zurückgekehrt. Sie wolle sich wieder mit anderen Menschen verbinden, sagte die Frau dem US-Sender. „Ich will wieder ich selbst sein können.“ Dazu will sie den Plan umsetzen, den sie eigentlich zu Beginn ihrer Odyssee hatte: Dover will mit einem eigenen Video zu dem folgenreichen Vorfall an die Öffentlichkeit gehen.

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