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Alla Pugatschowa

Wie sich eine russische Ikone offen mit dem Kreml anlegt

Die russische Popikone Alla Pugatschowa bei einem Auftritt 2009.

Die russische Popikone Alla Pugatschowa bei einem Auftritt 2009.

Moskau. Sie ist unumstritten Russlands größte Sängerin, ein gefeierter Superstar mit mehr als 250 Millionen verkauften Alben und seit Jahrzehnten im Showgeschäft: Mit ihren 73 Jahren hat Alla Pugatschowa einen Legendenstatus erreicht. Wenn sie sich äußert, hat das in Russland Gewicht. Am Wochenende brachte die 73-Jährige mit nur einem einzigen Satz den Kreml in Bedrängnis.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine im Liveblog +++

Auf ihrem Instagram-Account forderte die Sängerin das russische Justizministerium auf, ihren Namen auf die Liste „der ausländischen Agenten meines geliebten Landes aufzunehmen“. Zuvor war ihr Mann, der populäre Komiker, Sänger und Schauspieler Maxim Galkin, wegen seiner wiederholten Kritik an dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu einem „Auslandsagenten“ erklärt worden. Pugatschowa zeigte sich in dem Post solidarisch mit ihrem Ehemann. Er wünsche sich „ein Ende des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zum Paria machen und das Leben unserer Bürger belasten“, schrieb sie dort.

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Pugatschowa verkörpert für viele einen Teil sowjetischer Kultur

Mit dieser deutlichen Positionierung beendete die Diva ihre monatelange Zurückhaltung – und löste damit ein politisches Beben aus. Während russische Hardliner wie der stellvertretende Duma-Vorsitzende Pjotr Tolstoi dem Musikstar Realitätsverlust attestierten, jubelten Oppositionelle. Maxim Reznik, Mitglied im Regionalparlament von St. Petersburg, twitterte, dass ihr Aufstand zum Sturz des Regimes führen könnte. Und der Politologe Abbas Galljamow, einst Redenschreiber von Präsident Wladimir Putin, erklärte in seinem Telegram-Kanal: „Ihre plötzliche Politisierung kann in der Gesellschaft das für die Obrigkeit so gefährliche Gefühl ‚Jetzt reicht’s‘ erzeugen.“

Russische Intellektuelle messen den Worten Pugatschowas auch deshalb so eine große Bedeutung bei, weil sie diejenigen trifft, die sich die Sowjetunion zurückwünschen – und damit einen Kern der Unterstützer des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Denn Pugatschowa verkörpert für viele einen Teil sowjetischer Kultur.

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Ein von der russischen Regierung ausgezeichneter Star

Als die Sängerin 1965 das erste Mal auf Tournee ging, hatte der sowjetische Politiker Leonid Breschnew ein Jahr zuvor Nikita Chruschtschow als Generalsekretär der Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) gestürzt. Während Breschnew 18 Jahre lang an der politischen Spitze der Sowjetunion bleiben sollte, nahm Pugatschowas Karriere ab den 1970er-Jahren so richtig Fahrt auf.

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Auf der ersten Popliste der Sowjetunion überhaupt aus dem Jahr 1987 stand Pugatschowa direkt auf Platz eins. Zu ihren größten Hits zählt bis heute „Eine Million scharlachroter Rosen“. Im Ausland war Pugatschowa, die in Russland von ihren Fans wie eine gute Bekannte mit Vor- und Vaternamen „Alla Borisowna“ genannt wird, ebenfalls lange Zeit die bekannteste russische Sängerin. Mit Udo Lindenberg nahm sie 1988, mitten im Kalten Krieg, eine gemeinsame Schallplatte auf.

Auch von offizieller Seite erhielt die Diva zahlreiche Auszeichnungen für ihr Werk: Sie wurde von der russischen Regierung als Volkskünstlerin der UdSSR und mit dem Staatspreis der Russischen Föderation geehrt. Gleich dreimal erhielt sie den Verdienstorden für das Vaterland.

Dabei hat sich die Künstlerin nicht nur in ihrem kreativen Schaffen, sondern auch in ihrem Privatleben immer einige Freiheiten herausgenommen. Im Jahr 2011 heirate Pugatschowa in fünfter Ehe den 27 Jahre jüngeren Galkin, zwei Jahre später brachte eine Leihmutter zwei Kinder zur Welt.

 IVANGOROD, LENINGRAD REGION, RUSSIA  AUGUST 18, 2022: People are seen at a passport control area at a crossing point on the border with Estonia. The passage of trucks from Russia to Estonia at the Ivangorod-Narva crossing has been resumed, the ban on the entry of trucks from Estonia into Russia remains. As of August 18, Estonia has restricted entry for Russian citizens with Schengen visas issued by Estonia. Peter Kovalev/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY TS13E75A

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Russische Staatsmedien verschweigen politische Botschaft

Galkin positionierte sich bereits im Februar gegen den Krieg, Anfang März wurde bekannt, dass das Paar Russland verlassen hat. Seitdem tritt der Komiker im Ausland auf und witzelt immer wieder über die regimetreue politische Prominenz. Wohl deshalb wurde er vergangenen Freitag auf die Liste der „Auslandsagenten“ gesetzt. Während Galkin Russland fernblieb, kehrte Pugatschowa Anfang September mit ihren minderjährigen Kindern zurück.

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Dort steht nun auch sie nach ihrem Statement vom vergangenen Sonntag unter Druck. Bisher hatte sie sich aus den größten politischen Konflikten herausgehalten. Auch das macht ihre Äußerung, mit der sie sich offen gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin stellt, besonders.

Experten sagen, dass sie sowohl die russische Elite als auch das Volk bewegen kann. Vorausgesetzt, ihre Worte erreichen sie. Die russischen Staatsmedien vermelden nur, Pugatschowa habe darum gebeten, in die Liste der ausländischen Agenten aufgenommen zu werden. Die politische Botschaft der russischen Ikone verschweigen sie.

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