„Ein großartiger Tag“: Ampelkoalition feiert das Ende von Paragraf 219a
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Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesfamilienministerin, spricht im Bundestag vor der Abstimmung über die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen.
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Berlin. Paragraf 219a ist abgeschafft – aber nicht ohne eine letzte leidenschaftliche Debatte im Bundestag. Während die Ampelkoalition das Ende des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche als „großartigen Tag“ für das Selbstbestimmungsrecht der Frau feiert, fürchten Union und AfD um das Lebensrecht des Kindes. Und sie sehen bereits Paragraf 218 fallen. Ausgeschlossen ist das nicht: Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kündigte eine Kommission rund um das Abtreibungsverbot an.
Ende der Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten
Die Bundesregierung hat die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a, der das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelte, als eines der ersten Gesetzesvorhaben der Legislaturperiode umgesetzt. Und das nicht ohne Grund, wie Justizminister Marco Buschmann (FDP) zum Auftakt der Abschlussberatungen am Freitag sagte: „Jeder kann im Internet alles über Schwangerschaftsabbrüche verbreiten. Aber dass wir das hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten verbieten, das ist absurd, das ist aus der Zeit gefallen, und das beenden wir jetzt!“ Seit Jahren beklagen Kritikerinnen und Kritiker, dass von „Werbung“ keine Rede sein könne, sondern nur von Information.
Bei FDP, SPD und den Grünen herrschte euphorische Stimmung. „Heute ist ein großartiger Tag“, sagt Familienministerin Lisa Paus (Grüne). „Und es ist ein Tag, an dem ich voller Empathie an die Frauen denke, die jahrzehntelang unter diesem Gesetz gelitten haben.“ Damit ende auch die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten.
Bundestag streicht Paragraf 219a
Der Bundestag hat die Aufhebung des umstrittenen Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen.
© Quelle: dpa
Einigkeit bei Koalition im Krisenmodus
Inmitten von Koalitionsstreits rund um die Energieversorgung und eine drohende Wirtschaftskrise nimmt die Ampel diese Einigkeit dankbar an. Redebeträge wurden energisch beklatscht. Damit musste die Koalition auch laute Zwischenrufe übertönen, die vor allem aus der AfD-Fraktion kamen. „Es gibt kein Recht auf Werbung zum Töten von Kindern“, war zu vernehmen.
Aber auch die Union bekräftigte ihre Ablehnung des Gesetzesvorhabens. „Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen hier darum geht, ein Erfolgserlebnis zu produzieren“, sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses. Bereits im Vorfeld der Abschlussdebatte hatte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland gesagt, sie sehe kein Informationsdefizit für Schwangere. Für deutlich mehr Erregung in der Koalition sorgte allerdings der Redebeitrag von Dorothee Bär (CSU), als Vizefraktionschefin auch für Familienthemen zuständig.
Dorothee Bär wirft Ampelkoalition „Partystimmung“ vor
„Was für eine Debatte“, sagte sie. „Es bestürzt mich, dass das Thema ‚Kind‘ in den Reden der Ampel so gut wie nicht vorkommt. Ein bisschen weniger Partyfeeling hier wäre angemessen“, so Bär. Dass die Ampel im Anschluss an den Beschluss einen Empfang mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft ausrichtete, kommentierte sie so: „Eine Party zu feiern nach so einem Gesetzentwurf finde ich skandalös!“ Dafür bekam Bär auch Applaus aus den Reihen der AfD.
Befürchtungen wurden laut, die Abschaffung von Paragraf 219a sei lediglich eine Vorstufe zur vollständigen Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches, die aktuell der Paragraf 218 untersagt. Vertreterinnen und Vertreter der FDP stellten sich entschieden dagegen: „Die Streichung von Paragraf 219a heißt nicht, dass im Automatismus 218 abgeschafft werden soll“, sagte Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP.
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„Jetzt bin ich frei“
Sechs Monate nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft hat Angela Merkel das RedaktionsNetzwerk Deutschland zu dem ersten Interview in ihrem neuen Büro empfangen. In dem sehr persönlichen Gespräch blickt die Bundeskanzlerin a. D. zurück auf ihre Russland-Politik und die Entscheidung für Nord Stream 2. Und sie erklärt, warum sie nie offen Partei für die Ostdeutschen ergriffen hat.
Folgt jetzt eine Debatte über Paragraf 218?
Familienministerin Paus zeigte sich für eine Anpassung von Paragraf 218 hingegen offen. „Im Jahr 2022 muss man auch über den Paragrafen 218 reden“, sagte sie. „Deshalb werden wir eine Kommission dafür einrichten.“
Die Debatte rund um Schwangerschaftsabbrüche dürfte die Ampel also noch weiterhin beschäftigen, im Hinblick auf Paragraf 218 sicherlich weniger harmonisch als jetzt. Gefeiert wurde dann aber erst mal das Ende von 219a. Mit Unterstützung der Stimmen der Linken verabschiedete die Ampelkoalition ihren Gesetzentwurf, Jubelschreie waren zu hören. Mit stehendem Applaus drehten sich die Abgeordneten von FDP, Grünen und SPD auch zur Tribüne um: Hier hatten Ärztinnen und Ärzte Platz genommen, die sich für eine Abschaffung von 219a stark gemacht hatten.
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