Sabotage unter Wasser

Experte für maritime Sicherheit: Datenkabel sind noch viel gefährdeter als Pipelines

An der Meeresoberfläche der Ostsee ist Gas zu sehen, das aus einem Leck an der Pipeline Nord Stream 1 strömt.

An der Meeresoberfläche der Ostsee ist Gas zu sehen, das aus einem Leck an der Pipeline Nord Stream 1 strömt.

Wie bereits die Regierungen mehrerer europäischer Länder hat nun auch die EU-Kommission am Mittwoch erklärt, dass sie bei den Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 von Sabotage ausgeht. So sieht es auch Politikwissenschaftler Johannes Peters, Experte für Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. „Ich halte das für das einzig plausible Szenario“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Die Sabotage der beiden Pipeunfugines könne auch als Warnung gelesen werden, dass etwas Ähnliches mit Pipelines passieren könnte, die sich in Betrieb befinden, betonte Peters. Der Verdacht liege nahe, dass vor allem ein Signal an Deutschland und Polen ausgesendet werden sollte, dass die Infrastruktur angreifbar ist, so der Politikwissenschaftler.

Viertes Leck an Nord-Stream-Pipelines entdeckt

Noch ein Leck: Das Loch in der Pipeline sei ebenfalls diese Woche entdeckt worden, teilte die Küstenwache mit.

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Es sei allerdings nicht einfach, die Sicherheit der Unterwasser-Infrastruktur zu gewährleisten. Generell seien zunächst die Betreiber für die Betriebssicherheit und die Überwachung zuständig, erklärte Peters. Die Staaten hätten darauf nur mittelbar Einfluss, insbesondere in westlichen Demokratien. Klar sei aber: „Man muss davon ausgehen, dass es nicht möglich ist, so eine Infrastruktur über ihre gesamte Länge zu überwachen.“

Könnten noch weitere Angriffe folgen?

Besonders auf ein Problem machte Peters aufmerksam: „Nahezu der gesamte internationale Datenverkehr wird über Unterseekabel abgewickelt. Satelliten sind da noch keine wirkliche Alternative.“ Die Datenströme seien in den vergangenen zwanzig Jahren exponentiell gewachsen – und mit ihnen die Bedeutung dieser kritischen Infrastruktur, so der Politikwissenschaftler. „Allerdings ist die politische Befassung mit dem Schutz dieser Infrastruktur und auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit für deren Schutz nicht im gleichen Maße mitgewachsen wie ihre Relevanz für unser aller Leben und Wirtschaft.“

Experte für maritime Sicherheit geht von Sabotage an Nord Stream-Pipelines aus

„Wenn man sich die Komplexität anguckt, dann muss man schon davon ausgehen, dass es sich hier um einen staatlichen Akteur handelt“, sagt Experte Peters.

Zwar befassten sich immer mehr Fachleute mit dem Thema, es sei aber noch nicht ausreichend in der öffentlichen Debatte angekommen. „Dem leistet jetzt natürlich so ein Vorfall Vorschub. Den Gesellschaften wird bewusster, wie abhängig sie eigentlich von solchen Dingen sind.“ Es sei denkbar und sogar fast wahrscheinlicher, dass Datenkabel sabotiert werden als Pipelines, so Peters, denn das sei „noch ein bisschen einfacher zu machen“.

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„Gesellschaft besser informieren“

Laut dem Experten für maritime Sicherheit muss man sich Angriffe auf die kritische Infrastruktur nicht notwendigerweise als physische Angriffe vorstellen. „Die Vulnerabilität im Cyberbereich ist um ein Vielfaches höher“, erklärte Peters. In diesem Bereich sei Deutschland aber nicht besonders gut aufgestellt. Das gelte vor allem für die „gesellschaftliche Resilienz“, so der Politikwissenschaftler. Damit meine er das Bewusstsein der Bevölkerung, dass es diese Bedrohung gibt – und die Frage: „Wenn es dazu kommt, worauf müssen wir uns dann einstellen?“

Um das zu ändern und die gesellschaftlichen Auswirkungen von solchen Attacken abzumildern, gebe es relativ einfach Mittel, meinte Peters. Als Beispiel nennt er die Strategie der schwedischen Regierung bei diesem Thema. Sie habe vor einigen Jahren eine Broschüre zu den „möglichen Bedrohungen unterhalb von Krieg“ herausgegeben, wie etwa Cyberattacken oder eben der Ausfall der kritischen Infrastruktur. In diesen Broschüren seien auch Handlungsanweisungen für die Bevölkerung enthalten gewesen.

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Ziel der Angriffe: Der Zusammenhalt

„Wissen schafft Sicherheit“, betonte Peters. Wenn die Menschen wüssten, dass die Regierung die Gefahren auf dem Schirm habe und das auch kommuniziere, erhöhe sich die gesellschaftliche Resilienz. „Das führt natürlich auch zu Unruhe, aber das ist sicher ein Baustein, der dazu beitragen kann, kritische Infrastruktur nicht per se schützen zu müssen.“ Denn wer die kritische Infrastruktur angreife, ziele auf die Gesellschaft und wolle unter anderem den Zusammenhalt und den Rückhalt für die Regierung torpedieren. Natürlich seien aber auch technische Sicherheitsmaßnahmen nötig, so Peters.

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