Wie China in Europa Häfen aufkauft und sich den weltweiten Einfluss sichert
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Gestapelte Container am Hamburger Hafen.
© Quelle: IMAGO/Lobeca
Hannover/Berlin. Straßen, Häfen, Schienennetze – die chinesischen Investitionen in die weltweite Infrastruktur kennen seit knapp 15 Jahren kein Gegenstück. Das Herzensprojekt der politischen Führung in Peking startete 2008 und firmiert unter dem englischen Titel Belt and Road Initiative. In Deutschland ist es als Neue Seidenstraße bekannt. Nun greift ein chinesischer Staatskonzern nach einer Beteiligung an einem Containerterminal des Hamburger Hafens. Und die deutsche Politik ist alarmiert.
Im September 2021 haben der Hamburger Hafenlogistiker HHLA und der chinesische Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited eine Vereinbarung geschlossen. Mit 35 Prozent soll der chinesische Staatskonzern am HHLA-Terminal Tollerort beteiligt werden. Schon bis Ende Oktober könnte der Deal abgeschlossen sein. Und laut Medienberichten kommt große Unterstützung aus dem Kanzleramt – trotz Widerstands von sechs Ministerien.
Außenministerin Baerbock fordert Strategie im Umgang mit China
„Wir müssen aus den Fehlern unserer Russlandpolitik lernen“, so die deutsche Außenministerin am Dienstag auf einer Veranstaltung in Berlin.
© Quelle: Reuters
„Dabei wissen wir nicht, wie Chinas mittelfristige Strategie aussieht“, gibt Rolf J. Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zu bedenken. Will das Land nur die physische Kontrolle oder steckt mehr hinter dem Wunsch nach größerer Beteiligung?
14 europäische Häfen ganz oder teilweise unter chinesischer Kontrolle
Ärmere Länder konnte Peking bereits in die Schuldenfalle und damit in die Abhängigkeit Chinas locken. In Europa suchen chinesische Staatskonzerne ebenfalls in großem Stil Beteiligungen an wichtigen Handelskreuzen. Im Jahr 2018 hatte China bereits 10 Prozent der europäischen Hafenkapazitäten unter seiner Kontrolle. In insgesamt 14 Häfen Europas kontrollieren chinesische Konzerne über Beteiligungen weite Teile des Geschäfts.
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Dazu gehören Anteile an Terminals in den Häfen von Malta, Rotterdam (Niederlande), Antwerpen und Zeebrügge (Belgien), vier Umschlagpunkte in Frankreich sowie in den spanischen Städten Bilbao und Valencia, aber auch im italienischen Hafen von Savona. Nicht zuletzt ist Cosco derzeit der Eigentümer des größten Hafens von Griechenland in Piräus und ein weiterer chinesischer Konzern, China Merchants Port Holdings (CMP), kontrolliert ein Terminal des Hafens von Thessaloniki.
Aus Piräus ist bereits bekannt, wie die chinesischen Eigentümer nach der Übernahme vorgehen. Im vergangenen Jahr ist es nach dem Unfalltod eines Terminalmitarbeiters zu Streiks gekommen. Harte Arbeitsbedingungen führten zu Müdigkeit und langfristigen Erkrankungen bei der Belegschaft, kritisierte das Personal. Die Mitarbeitenden seien überlastet und Unfälle die Folge dessen. Ebenfalls gab es Beschwerden über die Umweltfreundlichkeit.
Die digitale Seidenstraße
In Deutschland sorgt man sich vor allem um den Hafen als Teil der kritischen Infrastruktur. „Doch wenn ich an kritische Infrastruktur denke, dann denke ich nicht an Containerbrücken“, so Wirtschaftsexperte Langhammer gegenüber dem RND. Es gehe vielmehr um die sogenannte digitale Seidenstraße.
China will ein Stück von Hamburg: Macht sich Deutschland erneut von zweifelhaften Partnern abhängig?
Die Staatsreederei Cosco plant den Kauf eines Hafenteils. Befürworter halten den Deal für wirtschaftliche Normalität, Kritiker fürchten Macht und Einfluss Pekings. Wie viel Einfluss wollen wir China auf unsere kritische Infrastruktur gestatten?
China hat sich in kürzester Zeit Beteiligungen an zentraler Infrastruktur auf beinahe allen Kontinenten gesichert, baut Handelsnetze über Landstraßen sowie Seewege und entwickelt nebenher noch eine Digitalstrategie, mit der es die globale Logistik auf neue Füße stellen könnte. Mittels der Blockchain-Technologie könnte China den weltweiten Seehandel komplett neu abwickeln und damit auch kontrollieren, sagt der Wirtschaftsanalyst. Dabei würden große Datenmengen generiert und es sei unklar, was die Chinesen und Chinesinnen damit machen wollen. „Im Zusammenwirken mit chinesischen Finanz-Tech-Unternehmen kann so eine marktbeherrschende Stellung zu Lasten anderer Wettbewerber entstehen, nicht zuletzt, weil China als Export- wie Beschaffungsmarkt so wichtig für Deutschland ist.“
Weiß der Hamburger Hafen, worauf man sich einlässt?
„Der Hamburger Hafen steht derzeit mit dem Rücken zur Wand“, so Langhammer. Die Elbvertiefung ist zunächst einmal abgeschlossen, Hamburg sei als Tidehafen davon in seiner Wettbewerbsfähigkeit abhängig. China ist wichtigster Handelspartner der Hamburger. Doch gleichzeitig steht der Hafen mit anderen Infrastrukturprojekten Europas wie dem Gotthardtunnel in der Schweiz in Konkurrenz. Dass Geoökonomie heutzutage eine große Rolle spiele, sehe man in Hamburg wohl noch anders, vermutet der Wirtschaftsexperte.
Der Reedereiriese Cosco entstand aus der Fusion verschiedener Unternehmen und steht unter staatlicher Kontrolle. Gleiches gilt für den Staatskonzern CMP. „Nur weil Cosco ein Staatsunternehmen unter politischer Führung ist, kann der Konzern den Hamburgern versprechen, mehr Ladung über ihren Hafen zu verschicken, wenn die Beteiligung genehmigt wird“, erklärt Rolf J. Langhammer. „Marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen können so etwas nicht.“