Dramatische Kämpfe um Bachmut: „Zerstörung apokalyptischen Ausmaßes“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/BIR72BH6QZBDNFPNCPYQHMBJFM.jpeg)
Ein Mehrfachraketenwerfer des ukrainischen Militärs in Bachmut feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk.
© Quelle: Libkos/AP/dpa
Verzweifelt versuchen russische Truppen im Donbass seit neun Monaten, die ukrainische Stadt Bachmut zu erobern. Über viele Wochen belagern die Russen die Stadt bereits, die gerade einmal 20 Kilometer von den Grenzen der Regionen Donezk und Luhansk entfernt liegt. Kaum ein Ort in der Ukraine ist in diesen Wochen so heftig umkämpft wie Bachmut, die Stadt ist längst verwüstet, in den Außenbezirken toben Häuserkämpfe, beide Seiten nehmen hohe Verluste in Kauf.
Bilder von Bachmut zeigen eine Zerstörung apokalyptischen Ausmaßes.
Markus Reisner,
Oberst des Generalstabs im Österreichischen Bundesheer
„Die Russen sind entschlossen, eine Entscheidung in Bachmut herbeizuführen und dafür kompromisslos Menschen zu opfern“, sagt Oberst Markus Reisner vom Österreichischen Bundesheer. „Es gibt apokalyptische Drohnenbilder, die Dutzende Leichen in Gräben zeigen“, so Reisner im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Den Militär und Historiker erinnern die Bilder an die Schlacht um Verdun 1916, einen der längsten und tödlichsten Kämpfe im Ersten Weltkrieg.
Mittendrin in der tödlichen Schlacht um Bachmut: die brutalen Söldner der russischen Wagner-Gruppe. „Bilder von Bachmut zeigen eine Zerstörung apokalyptischen Ausmaßes“, sagt Reisner. Die Ukraine hat drei tief gestaffelte Verteidigungslinien errichtet, die an Verteidigungseinrichtungen im Zweiten Weltkrieg erinnern. „Die Verteidigungslinie in Bachmut besteht aus tief gestaffelten Verteidigungssystemen, Schützengräben, Panzergräben, betonierten Unterständen, Panzerigeln und vor allem Hunderttausenden Minen“, sagt Reisner. Die Russen versuchen laut dem Experten jetzt, sich durch diese drei Linien zu kämpfen, und konnten bisher an drei Stellen einen Durchbruch erzielen. In Bachmut arbeite Russland jetzt an einem vierten Durchbruch.
Es gibt immer wieder kleinere Verschiebungen der Frontline, aber keine großen Geländegewinne der Russen oder der Ukraine.
Christian Mölling,
Militärexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
Dabei verfolgt Russland offenbar eine Strategie, die Reisner mit dem Plan von Kriegsminister Falkenhayn im Ersten Weltkrieg vergleicht. Damals wollten die Deutschen in der sogenannten „Blutmühle“ möglichst viele französischen Soldaten gezielt durch immer neue Artillerieschläge töten. „Bachmut hat für Russland den Zweck, dass die Ukraine immer neue Soldaten nachschiebt, die dann im russischen Artilleriefeuer ums Leben kommen“, sagt Reisner. Wenn der Abnutzungseffekt groß genug sei, bestehe für die Russen eine Chance zum Durchbruch. Beinahe täglich werden neue Tote aus dem Raum Bachmut gemeldet.
Jüngste Behauptungen über große Geländegewinne Russlands in unmittelbarer Nähe Bachmuts deuten nach Angaben des Militärthinktanks Institute for the Study of War (ISW) aber nicht auf einen bevorstehenden Showdown hin. Nach wie vor seien die kritischen Hauptverkehrsstraßen in die Stadt unter ukrainischer Kontrolle. Russische Angriffe gibt es nach ISW-Angaben etwa 15 bis 25 Kilometer vor der Stadt.
„Es gibt immer wieder kleinere Verschiebungen der Frontline, aber keine großen Geländegewinne der Russen oder der Ukraine“, sagt Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Auf beiden Seiten gebe es große Truppenverluste, aber auf russischer Seite seien die Verluste deutlich größer. „Durch die Kälte werden die schlecht ausgestatteten Soldaten noch stärker beansprucht.“ Außerdem sei die Logistik jetzt viel schwerer, da die Konvois nicht mehr überall langfahren können. „Viele Wege sind nicht mehr passierbar, und die wenigen Straßen machen Angriffe auf die Logistik einfacher.“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FZT7IYJFI5CEJLB7TVYTNQR52Y.jpg)
Eine zerstörte Brücke in Bachmut.
© Quelle: picture alliance / AA | Metin Aktas
Seit einigen Tagen hat in der Ukraine die sogenannte Rasputiza begonnen, die Schlammzeit. Starke Regenfälle haben den Boden aufgeweicht und dafür gesorgt, dass Gefechtsfahrzeuge ohne Ketten im Schlamm stecken bleiben. Schnee, Nässe und Kälte setzen den Soldaten zu, die bei Minustemperaturen im Schützengraben sitzen, und schwächen die Kampfkraft.
+++Alle Entwicklungen zum Krieg im Liveblog+++
Wenn die Russen in den nächsten Tagen nach und nach ihre Reservisten in die Ukraine schicken, kommen viele laut Experte Reisner direkt an die Front. Andere werden zur Sicherung in der Tiefe der besetzten Gebiete eingesetzt. Dort werden dann Kräfte frei, so Reisner, die an der Front kämpfen können. Ob mit diesen zusätzlichen Verstärkungskräften ein Durchbruch möglich ist, werden die nächsten Wochen zeigen.