„Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts“: Suizid ist laut Ethikrat vertretbar
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Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, hat vor der Bundespressekonferenz des Deutschen Ethikrates Stellung zu den Themen Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit bei Suizid bezogen.
© Quelle: Wolfgang Kumm/dpa
Der Deutsche Ethikrat hat sich in einer Stellungnahme am Donnerstag zum Suizid und zur Suizidhilfe geäußert. Demnach müsse eine freiverantwortliche Entscheidung rechtlich und ethisch auch dann als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts respektiert werden, wenn es um die Beendigung des eigenen Lebens geht. Der Rat betonte in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Suizidentscheidung aus freien Stücken und mit einem hohen Maß an Überlegtheit, Festigkeit und Eigenständigkeit der Entscheidung getroffen werden müsse.
Ethikrat: Suizid ist Recht auf selbstbestimmte Lebensführung
Dem Umfeld der suizidalen Personen komme dabei eine besondere Rolle zu: „Will man betroffenen Menschen inmitten einer psychosozial verdichteten suizidalen Lebenssituation wirklich eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen – und das muss der Anspruch sein –, dann stehen auf verschiedenen Ebenen viele Akteurinnen und Akteure in großer Verantwortung“, betonte der stellvertretende Sprecher der Arbeitsgruppe, Andreas Lob-Hüdepohl.
Sollte sich allerdings der Suizidwunsch einer Person zu einem festen, freiverantwortlichen Willen verdichten, könne Suizidassistenz angeboten werden, etwa in Pflegeeinrichtungen. „Das auch in solchen Fällen zu respektierende Selbstbestimmungsrecht“, erklärte der Sprecher der ratsinternen Arbeitsgruppe, Helmut Frister, „entlastet Staat und Gesellschaft in keiner Weise von der Verantwortung, so weit wie möglich dafür Sorge zu tragen, dass Menschen nicht in Situationen geraten und verbleiben, in denen sie sich genötigt sehen, den Tod als vermeintlich kleineres Übel dem Leben vorzuziehen.“ Denn auch freiverantwortliche Suizidentscheidungen würden überwiegend aus Lebenslagen entstehen, in denen die Verwirklichung von Grundbedürfnissen massiv erschwert ist, so der Ethikrat.
Ethikrat fordert bessere Suizidprävention
Staat und Gesellschaft seien daher laut Ethikrat dafür verantwortlich, eine umfassende Suizidprävention zu ermöglichen, um dem Grundrecht auf Leben gerecht zu werden. Denn „wer sich damit beschäftigt, ob und gegebenenfalls wie die Beihilfe zum Suizid in Deutschland reguliert werden soll“, so die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, „der muss gleichzeitig die Bedingungen und Verantwortlichkeiten einer echten und umfassenden Suizidprävention in den Blick nehmen.“ Mehr als 9.000 Menschen hätten sich 2021 das Leben genommen. Das Thema sei „dringlich“, so die Medizinethikerin.
Beschluss zur Sterbehilfe ist umstritten
Über die genauen Details einer rechtlichen Regelung ist man sich jedoch auch im Ethikrat uneinig. In dem 24-köpfigen Gremium würden „zur moralischen Bewertung von Suizidhandlungen, zur Suizidassistenz und zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts verschiedenen Auffassungen vertreten“, hieß es gleich zu Beginn des 134-seitigen Papiers.
Einig sei man sich jedoch bei der Auffassung, dass die letzte Entscheidung zum Suizid bei der betroffenen Person selbst liege, es sei denn, sie sei nicht mehr in der Lage, diese aus freien Stücken zu treffen. Dann gelte es vielmehr, die Person vor sich selbst zu schützen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit wurde auch das bis dahin geltende Verbot für Sterbehilfeorganisationen, organisierte Suizidassistenz anzubieten, aufgehoben. Seitdem ist die schon seit Langem bestehende Debatte um suizidale Krisen sowie die Beihilfe zum Suizid neu entfacht. Im Bundestag muss nun über eine mögliche Folgeregelung beraten werden.
Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern:
Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste:
(0800) 111 0 111 (evangelisch)
(0800) 111 0 222 (römisch-katholisch)
(0800) 111 0 333 (für Kinder/Jugendliche)
E‑Mail unter www.telefonseelsorge.de
RND/epd/dpa/al