Ist plötzlich alles gut bei Ceta? Sechs Fragen und Antworten
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Ein Schritt in Richtung „Weltfreihandelszone der Demokratien“? Die Flaggen Kanadas und der Europäischen Union wehen in Brüssel.
© Quelle: dpa
Was bedeutet Ceta?
Ceta ist ein Freihandelsvertrag, er soll Zölle senken und den Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichtern. Die vier Buchstaben stehen für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“. Gemeint ist das „Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU–Kanada“, ein Dokument, das bereits im Jahr 2016 von Vertretern der EU in Brüssel und der kanadischen Regierung in Ottawa unterzeichnet wurde.
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Worin liegt der Sinn des Abkommens?
Die Volkswirtschaften der EU und Kanadas können sich mit Ceta effektiver als bisher vernetzen. Beide Seiten hoffen auf Effekte, wie sie innerhalb Europas mit der Abschaffung von Zollschranken im 20. Jahrhundert erreicht wurden. Der verbesserte Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie klare gemeinsame Regeln sollen den Handel steigern und Investitionen voranbringen. Langfristig winken auf diesem Weg beiden Seiten gesamtgesellschaftliche Wohlstandsgewinne, dies jedenfalls zeigen alle europäischen Erfahrungen. Im 21. Jahrhundert kommen auch strategische Überlegungen ins Spiel: Die an Ceta Beteiligten hoffen auf robustere Lieferketten, einen verlässlicheren Zugang zu wichtigen Rohstoffen und auf einen schnelleren Wissensaustausch, etwa bei Informationstechnologie oder Klimaschutz.
Hilft Kanada den Europäern aus der Energiekrise?
Kurzfristig sind da keine Wunder zu erwarten. Kanada hat zwar viel Gas und viel guten Willen – aber keine LNG‑Terminals an der Atlantikküste für den Export von verflüssigtem Gas nach Europa. Am Bau der Infrastruktur in Kanada müssen sich künftige europäische Abnehmer offenbar finanziell beteiligen; darüber wird verhandelt. Umweltgruppen in Kanada machen unterdessen gegen mehr Erdgasproduktion in ihrem Land mobil. Einen breiten politischen Konsens gibt es dagegen mit Blick auf Pläne, in den Weiten Kanadas durch gigantische neue Windparks klimaneutral Strom zu erzeugen, der dann in großindustriellem Maßstab zur Erzeugung von sogenanntem grünen Wasserstoff genutzt wird. Diese mittelfristige Perspektive spielte bei einer Kanada-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz im Sommer dieses Jahres bereits eine große Rolle.
Warum wird der 2016 geschlossene Vertrag erst jetzt im Bundestag ratifiziert?
Die Ampelkoalition hatte vereinbart, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. In ihrer am 15. März dieses Jahres verkündeten Ceta-Entscheidung gaben die Richter in Karlsruhe bekannt, das Abkommen verletze weder Grundrechte noch berühre es Grundsätze des Demokratieprinzips. Kläger des globalisierungskritischen Aktionsbündnisses „Nein zu Ceta“ hatten behauptet, Umwelt- und Verbraucherschutz würden dem freien Handel untergeordnet. Befürchtet wurde, dass kanadische Unternehmen vor den im Ceta-Vertrag vorgesehenen Schiedsgerichten Klagen gegen neue Schutzvorschriften in Europa erheben könnten.
Waren die Grünen nicht bislang immer gegen Ceta?
Tatsächlich hatten die Grünen noch im jüngsten Wahlprogramm angekündigt, Ceta wegen offener Fragen beim Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz „nicht in seiner jetzigen Fassung“ zu ratifizieren. Inzwischen hat Berlin aber einen politischen Ausweg aus der Sackgasse gefunden, durch eine sogenannte „Interpretationserklärung“, der mittlerweile auch alle EU‑Mitglieder zustimmen. Danach sollen Firmen weder auf der einen noch auf der anderen Seite des Atlantiks etwa gegen neue Gesetze zum Schutz des Klimas klagen können – auch wenn die neuen Regeln ihre Gewinne schmälern. So bliebe das sogenannte Right to regulate erhalten, die Befugnis der Politik, neue Dinge neu zu regeln.
Könnte Ceta die Blaupause für weitere Handelsabkommen sein?
Ceta könnte Vorbildcharakter haben für die schon vor zwei Jahrzehnten begonnenen Verhandlungen der EU mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) sowie mit Mexiko, Chile und Australien. Noch bedeutender wäre ein Neubeginn der Verhandlungen der EU mit den USA: In der Amtszeit Donald Trumps waren die Gespräche über TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) unter dem Applaus rechter und linker Populisten abgeblasen worden. Wie sehr ein solches Abkommen geholfen hätte, zeigt der gerade neu aufflammende Handelsstreit zwischen Washington und der EU. Viele Experten sagen, die Auseinandersetzung mit China und Russland lege generell ein engeres Zusammenrücken aller freien Gesellschaften nahe. Michael Link, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, empfiehlt daher in einem soeben erschienenen Aufsatz nichts Geringeres als „eine Weltfreihandelszone der Demokratien“.