Kann die Weltgemeinschaft Putin bremsen?
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Russlands Präsident Wladimir Putin
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Man sieht viele Bemühungen rund ums Thema Ukraine und ahnt doch: So wird das nichts.
Wieder eine neue Ramstein-Runde? Ein Nato-Gipfel? Ein Besuch der EU-Spitze in Kiew? Oder, wie am Freitag, eine weitere Rede Wolodymyr Selenskyjs bei der Münchner Sicherheitskonferenz?
All diese Foren und Gespräche können helfen, notdürftig Solidarität zu organisieren für das von Russland angegriffene Land, humanitär und militärisch. An der Ursache des Problems aber ändert sich nichts. Der von Wladimir Putin befohlene unfassbare Bruch des Völkerrechts geht weiter. Russland erhöht sogar noch den militärischen Druck. Niemand darf sich in nächster Zeit, rund um den Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar, wundern über neuen Donner aus russischen Kanonen.
Breite Mehrheit für russischen Abzug
Das Thema gehört auf die Weltebene, in die Hände der Vereinten Nationen. Oft wird als Träumer abgeschrieben, wer so spricht. Doch immerhin glänzt gerade ein kleiner neuer Hoffnungsschimmer über dem UN-Gebäude in New York.
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Ein Forum für die Welt – aber ohne völkerrechtliche Regelungsmacht: die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Das Foto vom 20. September 2022 entstand während einer Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz.
© Quelle: IMAGO/photothek
Eine erste gute Nachricht: In der kommenden Woche, bei einer Abstimmung in der Generalversammlung der 193 Mitgliedsstaaten, wird es wohl eine sehr breite Mehrheit geben für eine UN-Resolution mit einem Ruf nach russischem Truppenabzug und Einstellung der Gefechte. In einer ähnlichen Abstimmung im März votierten bereits 141 Staaten dafür und nur fünf dagegen: Syrien, Nordkorea, Eritrea, Belarus und Russland selbst. China enthielt sich.
Dieses politische Signal ist wichtig und richtig. Es könnte allen Russen Stoff zum Nachdenken geben, die an guten internationalen Beziehungen interessiert bleiben – und sich nicht wie Putin bereits in eine ganz eigene Welt verabschiedet haben.
Das Votum der Generalversammlung ist jedoch, das ist der Haken, völkerrechtlich nicht bindend. Ein Beschluss des kleineren und mächtigeren UN-Sicherheitsrats wäre besser. Denn daran können bei Nichtbefolgen sogar militärische Gegenmaßnahmen der gesamten Weltgemeinschaft geknüpft werden, etwa die völkerrechtlich saubere Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine.
Im Sicherheitsrat ist Russland befangen
Je mehr Staaten sich an der Umsetzung eines solchen Sicherheitsratsbeschlusses beteiligen würden, umso besser. Nichts spräche dagegen, dass russische Marschflugkörper, Drohnen und Raketen auch von einem israelischen Iron Dome oder etwa durch Laserkanonen aus Japan vom Himmel geholt werden, alles ganz offiziell, alles komplett völkerrechtskonform.
Putins Legende vom Konflikt mit einer angeblich aggressiven Nato würde damit zerbröseln. Hervortreten würde dagegen der rein defensive Charakter der Gegenmaßnahmen sowie Putins Konflikt mit dem Weltrecht und der gesamten Weltgemeinschaft.
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In Syrien hätte eine solche Politik Millionen von Menschen unsägliches Leid ersparen und den Lauf der Geschichte ändern können. Doch die Weltgemeinschaft duckte sich damals vor Putin – und blickt jetzt in der Ukraine auf den nächsten Krieg, mit noch mehr Gewalt und noch mehr Flüchtlingen.
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Das Allerheiligste der UN: An Beschlüsse im Sicherheitsrat können auch konkrete militärische Maßnahmen zu deren Durchsetzung geknüpft werden. Doch hier haben alle fünf Atommächte, darunter Russland, ein Vetorecht.
© Quelle: IMAGO/Pacific Press Agency
Das Problem war und ist das traditionelle Vetorecht der fünf Atommächte im Sicherheitsrat, zu denen auch Russland gehört. Inzwischen fällt diese historisch gewachsene Schiefheit im UN-Betriebssystem schmerzlicher auf denn je. Welchen Sinn hat ein Gremium, in dem der Täter die Verhinderung weiterer Taten einfach ablehnen darf?
Doch es gibt eine zweite gute Nachricht aus New York. Auch diese überfällige Grundsatzdebatte nimmt, nach Jahrzehnten des Stillstands, endlich Fahrt auf, wenn auch erst mal nur langsam und bislang nur in Fachkreisen.
Völkerrechtler hantieren schon mit Lösungen. Danach behielte Russlands Außenminister Sergej Lawrow zwar das Recht, unten durch die Drehtür der UN-Zentrale zu kommen. Die diplomatische Immunität bliebe gewahrt, ebenso wie der Grundsatz, dass ohne direkte Begegnungen kein Weg zum Frieden führt. Der Zugang zum Sitzungssaal des Sicherheitsrats könnte ihm jedoch verweigert werden, wenn es dort gerade um Dinge geht, die sein eigenes Land betreffen. Wie bei jeder Gerichtsverhandlung würde ein allseits bekannter und akzeptierter Grundsatz gelten: der der Befangenheit.
Es wird Zeit für einen frischen Blick auf das Thema UN-Reform: Es geht hier nicht um Paragrafenreiterei, sondern um Menschheitsfragen.