Linksextremistische Szene: Thüringens Verfassungsschutzchef sieht Radikalisierung
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Die Angeklagte Lina E. steht im Oberlandesgericht Dresden und hält einen Aktenordner vor ihr Gesicht.
© Quelle: Sebastian Kahnert/dpa
Berlin. Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, hat angesichts des jüngsten Urteils gegen die Linksextremistin Lina E. vor einer zunehmenden Radikalisierung der Szene gewarnt. „Wir erleben bei Linksextremisten eine wachsende Radikalisierung und Akzeptanz von brutalster Gewalt“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Diese Akzeptanz beinhaltet Gewalt gegen Personen mit dem Ziel, sie einzuschüchtern. Und sie gilt politischen Gegnern ebenso wie Vertretern des Staates.“ Kramer fügte mit Blick auf den Schuldspruch des Oberlandesgerichts Dresden hinzu: „Das Urteil ist ein wichtiges Signal des Rechtsstaates. Es zeigt, dass er konsequent gegen Straftaten vorgeht.“
Das Gericht hatte Lina E., die aus Kassel stammt, wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextremisten zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen ihre drei Mitangeklagten verhängte die Staatsschutzkammer ebenfalls mehrjährige, aber nicht ganz so hohe Freiheitsstrafen. Die Gruppe war auch in Thüringen aktiv. Vorerst kommt Lina E. aber überraschend frei, da sie die Reststrafe erst verbüßen muss, wenn das Urteil rechtskräftig wird.
Faeser: Keine Selbstjustiz!
Zuvor hatte sich unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu dem Urteil geäußert. „In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen“, sagte sie. „Im demokratischen Rechtsstaat darf es keinen Raum für Selbstjustiz geben.“ Kein Ziel rechtfertige politische Gewalt.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte: „Der Fall steht beispielhaft für das hohe Gewaltpotenzial und Radikalisierungsniveau, das in Teilen der linksextremistischen Szene vorherrscht und in dieser Form eine neue Entwicklung im Linksextremismus darstellt. Innerhalb der gewaltorientierten Szene bilden sich seit einiger Zeit klandestine Gruppen heraus, die sich abschirmen und mit sehr planvoll ausgeführten Attacken und äußerster Brutalität gegen den politischen Gegner vorgehen.“
Schläge gegen Kopf
Die vermummten Angreifer überfielen ihre Opfer unvermittelt aus der Überzahl heraus. Häufig setzten sie Tatmittel wie Hämmer und andere Schlagwerkzeuge oder Reizgas ein. Dabei schlügen und träten sie auch gezielt gegen den Kopf. Die Folge seien oft schwere und zum Teil lebensbedrohliche Verletzungen.
Besorgniserregend ist Haldenwang zufolge außerdem, dass eine steigende Zahl gewalttätiger Linksextremistinnen und ‑extremisten versuche, sich der Strafverfolgung zu entziehen und möglicherweise untergetaucht sei. Wenn sich die Radikalisierungsspirale weiterdrehe, dann rücke der Moment näher, in dem man auch von Linksterrorismus sprechen müsse.