Der SPD-Chef und die Ostpolitik: Klingbeils Anleihe an Willy Brandt
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1970 in Warschau: Bundeskanzler Willy Brandt kniet vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Getto, das den Helden des Getto-Aufstandes vom April 1943 gewidmet ist. Willy Brandt besuchte als Bundeskanzler unser Nachbarland Polen. Sein Kniefall vor einem Denkmal für getötete Menschen wurde berühmt. Foto: ---/dpa - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++
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Der Kniefall von Willy Brandt in Warschau ist mit nichts zu vergleichen. Zu monströs ist die Schoah und die Schuld der deutschen Nazis. Brandts wortlose Demutsgeste 1970 hat dazu geführt, dass West und Ost die Sprache wiedergefunden haben. Die Entspannungspolitik des Sozialdemokraten gegenüber Moskau hat den Frieden im Kalten Krieg gesichert.
Lars Klingbeil ist Brandts politischer Enkel und durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine in die äußerst schwierige Lage gekommen, für die deutsche Sozialdemokratie eine neue Ostpolitik zu etablieren. Brandts „Wandel durch Annäherung“ und „Wandel durch Handel“ mit Russland gilt nicht mehr. Wladimir Putin hat den Grundstein dafür auf dem Schlachtfeld der Ukraine begraben.
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Der 45-jährige SPD-Vorsitzende muss im Jahr 2023 ausgerechnet das Vermächtnis jenes Mannes weiterentwickeln, der mit seiner Politik Geschichte schrieb. Daran kann man sich schnell verheben. Klingbeils Auftritt in Warschau zeigt aber, dass er Antworten bei Brandt sucht, ohne ihn peinlich zu kopieren. Er ist nicht auf die Knie gegangen, hat sich aber verbal erneut dafür in den Staub geworfen, dass Deutschland und die SPD die Warnungen vor Moskau so lange ignoriert haben.
In osteuropäischen Staaten macht das Hoffnung, im eigenen Land und in der eigenen Partei nicht überall Freunde. Menschen fühlen sich dadurch verletzt, weil sie gute Gründe für den Austausch mit Russland in Erinnerung haben.
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Die SPD profitiert nun von ihrer Doppelspitze. Klingbeil kann sich auf die Militärpolitik konzentrieren, ohne einen Flurschaden in der Sozialpolitik anzurichten, für die Saskia Esken eintritt. Doch wenn der Krieg in der Ukraine eskaliert, wird es zum Schwur in Deutschland kommen. Klingbeil könnte sich dann wieder auf Brandt berufen: Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts. Dafür bedarf es der militärischen Stärke. Erst viel später kann man wieder über Abrüstung sprechen.