Grüne fordern umfangreiche Änderungen der Pflegereform – und ein Scholz-Machtwort
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Eine Krankenpflegerin in einem Krankenhaus: Die Grünen üben massive Kritik an der Pflegereform.
© Quelle: Marijan Murat
Berlin. Die Ampelkoalition steht vor ihrem nächsten Konflikt: Die Grünen üben massive Kritik an der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Pflegereform und fordern umfangreiche Änderungen. „Diese Reform umfasst nicht das, was bei den Leistungen und der Finanzierung nötig wäre, um die Pflegeversicherung zukunftsfest aufzustellen“, sagte Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink am Mittwoch. Deshalb bestehe ein „deutlicher Nachbesserungsbedarf“, so die Gesundheitspolitikerin, die insbesondere Finanzminister Christian Lindner (FDP) für die Mängel verantwortlich machte. Er habe durch mehrfache Einsprüche dafür gesorgt, dass die ursprünglichen Pläne von Lauterbach zusammengekürzt worden seien. Um nunmehr Verbesserungen zu erreichen, forderte sie ein Eingreifen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Nachbesserungen werden nur gelingen, wenn die Rückendeckung des Kanzlers da ist“, mahnte die Grünen-Politikerin.
Die Kritik der Grünen ist so massiv, dass sie nach Angaben von Klein-Schmeink erhebliche Bauchschmerzen gehabt hätten, einer beschleunigten Beratung im Parlament zuzustimmen. Dabei wird der Gesetzentwurf der Regierung wortgleich als Entwurf der Koalitionsfraktionen eingebracht. Am Ende habe man aber zugestimmt, weil die Pflegeversicherung ohne Reform im Sommer zahlungsunfähig geworden wäre. Außerdem bestehe Zeitdruck, weil das Bundesverfassungsgericht für die bessere Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Beiträgen eine Frist bis 31. Juli gesetzt habe.
Der Reformentwurf sieht bislang vor, die Eigenanteile für Heimbewohnerinnen und -bewohner weiter zu begrenzen und die Leistungen für die Pflege zu Hause leicht anzuheben. Zur Finanzierung soll der Beitragssatz für Kinderlose um 0,6 Prozent auf dann 4,0 Prozent steigen. Bei Eltern soll es je nach Kinderzahl gegenüber heute zu einer leichten Be- oder Entlastung kommen. Mehrere Punkte aus dem Koalitionsvertrag wurden aufgrund des Widerstandes von Lindner nicht umgesetzt.
Die Grünen pochen nun darauf, den Koalitionsvertrag einzuhalten. Dazu gehört ein Steuerzuschuss für die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen (Kosten: 3,7 Milliarden Euro), die Übernahme der Corona-Kosten durch den Bund (rund 5 Milliarden Euro) und die Entlastung der Heimbewohnenden von den Ausbildungskosten des Pflegepersonals (1,2 Milliarden Euro). Zudem fordern die Grünen eine stärkere Erhöhung der Leistungen in der ambulanten Pflege und – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – die Zusammenfassung der Ansprüche für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem flexibel nutzbaren Budget von 3386 Euro (Mehrausgaben 700 Millionen Euro). Letzteres war erst kurz vor dem Kabinettsbeschluss aus Kostengründen wieder gestrichen worden.
Fehlende Daten über Zahl der Kinder
Ein anderer Punkt der Reform, der ebenfalls für Kritik gesorgt hatte, hat dagegen nichts mit den Kosten zu tun, sondern nur mit der Tatsache, dass Deutschland ein digitales Entwicklungsland ist. So plante Lauterbach zunächst, dass die Beitragsabschläge für Eltern mit Kindern lebenslang gelten. Das wurde nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) insbesondere auf Druck der Rentenversicherung geändert. Nun soll der Nachlass ab dem zweiten Kind nur so lange gelten, bis der jeweilige Nachwuchs das 25. Lebensjahr vollendet hat. Der Grund: Es gibt bei den Sozialversicherungen bisher nur Daten darüber, dass Kinder vorhanden sind – aber nicht wie viele. Innerhalb kürzester Zeit hätte also zum Beispiel die Rentenversicherung bei 20 Millionen Ruheständlern Geburtsurkunden der Kinder anfordern und diese prüfen müssen, was für unmöglich gehalten wird. Durch die Altersbegrenzung wird erreicht, dass die Datenerhebung zumindest bei Rentnerinnen und Rentnern nicht mehr nötig ist, weil deren Kinder in der Regel älter sind.
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Nach Angaben aus Koalitionskreisen sollte die Pflegereform kein Thema beim Koalitionsausschuss am Mittwochabend sein – zunächst würden hier die Fachpolitikerinnen und -politiker beraten. Auf der Tagesordnung des Ausschusses standen der Heizungstausch, der Streit um die Kindergrundsicherung, die zunehmende Wohnungsnot und die steigenden Zahlen Geflüchteter.