Ehemaliger Präsident bald vor Gericht

Von „Präzedenzfall“ bis zu einem „Fehler“: So bewertet die internationale Presse die Trump-Anklage

Die internationale Presse reagiert unterschiedlich auf die Trump-Anklage (Symbolbild).

Die internationale Presse reagiert unterschiedlich auf die Trump-Anklage (Symbolbild).

Es ist ein Vorgehen, das jetzt schon in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen wird: Donald Trump, ehemaliger US-Präsident und aktueller Präsidentschafts­bewerber, wird angeklagt. In der Anklage geht es um Schweigegeld­zahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, die der 76-Jährige geleistet haben soll. Die internationale Presse blickt gespannt auf den einmaligen Fall.

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US-Bevölkerung reagiert gespalten auf Anklage von Ex-Präsident Trump

Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wird mit Donald Trump ein ehemaliger Präsident des Landes strafrechtlich belangt.

„Wall Street Journal“ (USA): Eine Entscheidung mit „unvorhersehbaren und wahrscheinlich zerstörerischen politischen Auswirkungen“

„Die Nachricht am späten Donnerstag, dass eine Grand Jury in Manhattan den ehemaligen Präsidenten Donald Trump angeklagt hat, markiert einen traurigen Tag für das Land, mit unvorhersehbaren und wahrscheinlich zerstörerischen politischen Auswirkungen. Wenn es jemals einen Fall gegeben hat, der die Büchse der Pandora geöffnet hat, dann ist es die erste Anklage in der Geschichte der USA gegen einen Ex-Präsidenten. (...) Trump hat in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass er die Anklage zu einem Gegenstand seiner Kampagne machen wird – er nannte sie einen Versuch der Demokraten, ihm eine weitere Amtszeit als Präsident zu verweigern. (...)

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Ob diese politische Abwehr­maßnahme Erfolg hat, wird davon abhängen, wie sich der Fall vor Gericht entwickelt – was ein Medienzirkus sein wird, der in die Geschichts­bücher eingeht. Trumps rücksichtsloses persönliches Verhalten hat ihn wie üblich angreifbar gemacht, aber der Exzess der Demokraten könnte ihn wieder retten. (...) Die Gefahr für die USA ist der Präzedenzfall, den diese Anklage schafft. (Staatsanwalt Alvin) Bragg sprengt eine politische Norm, die seit 230 Jahren gilt. Wenn einmal ein ehemaliger Präsident und aktueller Bewerber angeklagt wird, wird irgendein Anwalt der Republikaner ebenfalls versuchen, Bekanntheit zu erlangen, und dasselbe mit einem Demokraten machen. Die US-Demokratie wird weiter missbraucht und ramponiert werden.“

„Washington Post“ (USA): Klage wird „Präzedenzfall für jeden ehemaligen Präsidenten“

„Verstöße gegen das Gesetz zur Wahlkampf­finanzierung untergraben die Demokratie und verdienen es, ernst genommen zu werden. Jedoch sollten auch die möglichen Schattenseiten einer Anklage gegen Trump ernst genommen werden. Diese Klage wird zwangsläufig der Präzedenzfall für jeden ehemaligen Präsidenten werden, und natürlich auch für alle Verfahren gegen ebendiesen Ex-Präsidenten – von denen es reichlich gibt. Weitere laufende Ermittlungen umfassen Untersuchungen des Justiz­ministeriums zum (Sturm auf das US-Kapitol am) 6. Januar 2021 und zu Geheim­dokumenten, die in (Trumps Anwesen) Mar-a-Lago entdeckt wurden (...). Ein Scheitern der Anklage wegen der Schweigegeld­zahlung könnte sie alle gefährden und Trump Munition für seine ‚Hexenjagd‘-Vorwürfe liefern (...). Diese Anklage muss hieb- und stichfest sein. Sonst lohnt es sich nicht, sie weiterzuverfolgen.“

„The Sydney Morning Herald“ (Australien): „Amerika befindet sich jetzt in unbekannten Gewässern“

„Hier ist die Sache mit Donald Trump: Schlagen Sie nicht zu, wenn Sie wahrscheinlich daneben schlagen. Niemand sollte über dem Gesetz stehen, aber Amerika befindet sich jetzt in unbekannten Gewässern, mit einem ehemaligen Präsidenten, den sie auf eigene Gefahr unterschätzen. Die Gefahr besteht darin, dass, wenn die Anklagen nicht bestehen, das Vertrauen in die anderen Ermittlungen gegen Trump untergraben, seine Siegeschancen im Jahr 2024 erhöht und ein heftig zersplittertes Land weiter gespalten werden könnten.“

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„Der Standard“ (Österreich): „Man muss hoffen, dass es Trump nicht leicht gemacht wird, sich als Justizopfer zu inszenieren“

„Er hat versucht, die Präsidentschafts­wahl zu manipulieren, den Sturm auf das Kapitol angezettelt und die nationale Sicherheit durch die Mitnahme unzähliger Geheim­papiere gefährdet. Angeklagt aber wird Donald Trump nun wegen einer vertuschten Schweigegeld­zahlung an eine Ex-Geliebte. Das ist nicht nur absurd, das ist auch gefährlich. Trump mag bei der 130.000-Dollar-Zahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels tatsächlich Gesetze gebrochen haben. Aber wenn erstmals in der Geschichte ein Ex-Präsident angeklagt wird, dann sollte dies aus gewichtigeren Gründen geschehen. Denn sonst wirkt die Anklage tatsächlich als das, was er und seine Fans seit Monaten lautstark behaupten: als politisch motivierter Akt, um einen ungeliebten Politiker auszuschalten.

Umso wichtiger wäre es nun, dass der stärkste Vorwurf gegen den Ex-Präsidenten bald zur Anklage kommt: seine auf Tonband dokumentierten Versuche, mit massivem Druck das Wahlergebnis im Staat Georgia umzudrehen. Dass der New Yorker Staatsanwalt so viel schneller ist als der in Georgia, hängt wohl auch mit deren politischer Gesinnung zusammen. Das ist verständlich, aber problematisch. Man muss nun hoffen, dass es Trump nicht so leicht gemacht wird, sich im kommenden Präsidentschafts­wahlkampf als Justizopfer zu inszenieren.“

„The Economist“ (Großbritannien): „Der Fall von Manhattan sieht nach einem Fehler aus“

„Für einen anderen Politiker wäre es das Ende einer politischen Karriere. Im Fall von Herrn Trump stellt sich die Frage, inwieweit eine Anklage als Treibstoff für eine Bewegung dienen wird, die zu erlahmen schien. Trump sammelt seit Wochen Spenden aufgrund seiner bevorstehenden Anklage, von der er voraussagte, dass sie am 18. März in den sozialen Medien erscheinen würde. Es stellt sich heraus, dass es einer seiner genaueren Beiträge war.

Trump bleibt eine Bedrohung nicht nur für Amerika, sondern auch für den Rest des Westens. Dies sollte das Urteil über den Fall jedoch nicht trüben. Wenn Trump strafrechtlich verfolgt werden soll, sollte es für etwas sein, das nicht als Formsache abgetan werden kann und wo das Gesetz klarer ist. Der Fall des Staatsanwalts von Manhattan sieht nach einem Fehler aus.“

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