Wenn Sigmar Gabriel plötzlich auf Friedrich Merz neidisch ist
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Sozialdemokrat Sigmar Gabriel (links), Vizekanzler und Bundesminister a. D. und der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz bei der Buchvorstellung.
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Dass SPD-Urgestein Sigmar Gabriel einmal zugibt, Friedrich Merz zu beneiden, damit hätte der CDU-Chef wohl nicht gerechnet. Merz habe von seiner Biografie her einen „weiteren Blick“, sagt Gabriel am Dienstagabend bei der Vorstellung des neuen Buches „Der Unbeugsame“ über den Christdemokraten. Er selbst sei ja nur Mittelschüler gewesen. Und Merz haber schon früh besser Englisch gekonnt als er.
Das 319-seitige Porträt wurde von den Journalisten Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart geschrieben. Es behandelt die Höhen und Tiefen der politischen Karriere von Merz, wie er in seiner Partei gesehen wird und wie der Parteivorsitzende die CDU auf die kommenden Jahre, in denen es Volksparteien bei Wahlen wahrscheinlich immer schwerer haben werden, vorbereiten will. Die Autoren beschreiben seinen Weg darin als „Aufstieg und Fall, Wieder-Fall und Wieder-Aufstieg“.
Gabriel lobt Merz als „sprachgewaltig“
Der frühere SPD-Chef lobt das Buch als ausgezeichnete Beschreibung der politischen Charakterzüge von Friedrich Merz. Und er spricht auch über den CDU-Politiker in den höchsten Tönen. „Sprachgewaltig“ sei dieser Merz, sagt Gabriel. Er habe es geschafft, „dass Olaf Scholz Emotionen gezeigt hat“.
Merz hingegen hadert nach eigenen Angaben mit „Selbstbetrachtungen“ wie in solchen Büchern. Er könne als Person der Öffentlichkeit aber auch nicht verhindern, dass über ihn geschrieben werde. Am Anfang des Abends scherzt Gabriel: „In anderen Parteien findet man schneller Freunde als in der eigenen.“ Da muss auch Merz lachen.
Es ist nicht die erste Überraschung an diesem Dienstag für Merz. Am Mittag kann er zu seinem eigenen Erstaunen verkünden, dass die Ampel beim Bürgergeld große Schritte auf Union zugegangen ist. Noch am Wochenende war man sich in der CDU nicht sicher gewesen, ob eine Einigung in dieser Woche möglich sein würde. Und nun sitzt Merz neben dem früheren SPD-Chef, der ihm bescheinigt, Kanzler Scholz aus der Reserve locken zu können.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Gabriel und Merz haben ähnliche berufliche Erfahrungen gemacht – nur in umgekehrter Reihenfolge. Merz arbeitete vor seinem späten Politcomeback lange in der Finanzwirtschaft, Gabriel zog es nach seinem Abschied von der Politik dorthin. Beide sind in ihren Parteien nicht sonderlich beliebt, und beide vertreten außenpolitisch ähnliche Standpunkte. Der SPD-Politiker hat Merz als Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke abgelöst. „Bei uns beiden gibt es, was internationale Fragen angeht, ohnehin eine große Schnittmenge“, betont Gabriel.
Es gibt neben dem „weiteren Blick“ noch eine andere Sache, um die Gabriel den CDU-Vorsitzenden beneidet: Ein Trinkspiel, das der Christdemokrat mit Studienfreunden gespielt hat. Davon berichtet das Autorenteam auf Seite 133: Eine Spielzeuglokomotive fährt über den Tisch und bei wem sie als Erstes hält, der muss eine Maß Bier trinken. Als Moderatorin Plattner Gabriel fragt, worauf er denn neidisch bei Merz sei, schießt es nur so aus dem Sozialdemokraten heraus. „Das mit dem Zug und dem Bier.“
Angesichts all der Harmonie und Heiterkeit sieht Gabriel sich im Laufe des Abends zu einer Klarstellung gezwungen. „Ich will nicht, dass der Kanzler wird.“ Soll ja kein falscher Eindruck aufkommen.