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Kommentar

AfD, Maaßen und die CDU: Die Union muss sich jetzt deutlich distanzieren

Ein Mann für gewisse Milieus: Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist noch CDU-Mitglied.

Ein Mann für gewisse Milieus: Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist noch CDU-Mitglied.

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Berlin. Die AfD würde Hans-Georg Maaßen mit Kusshand aufnehmen. Der frühere Verfassungsschutzchef passt mit seinem Verschwörungsgeraune und seinem Kampf gegen „Globalisten“, gegen „öko-woke“ und „ökosozialistische“ Politik perfekt in die rechte Dagegen-Partei, zu der sich die AfD in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens entwickelt hat. Aber natürlich geht Maaßen nicht freiwillig. Noch nicht. Es ist wie weiland mit Thilo Sarrazin und der SPD: Die Mitgliedschaft in einer Volkspartei ist das Letzte, was den Radikalisierten noch mit seiner bürgerlichen Vergangenheit verbindet.

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Die Frage „Wie hältst du‘s mit Maaßen?“ birgt für die CDU überschaubare Sprengkraft. Nur der im lauen Dresdner Ostwind schwankende Sachsen-Ministerpräsident Michael Kretschmer argumentiert noch halb gegen ein Parteiausschlussverfahren. Dieses wird quälend lange dauern, mit unklarem Ergebnis, aber Maaßen wird vermutlich auch von seinen ostdeutschen CDU-Fans nicht mehr zu Diskussionsabenden eingeladen werden, wie es in den vergangenen Jahren üblich war. Auch seine „Werteunion“ ist so gut wie wertlos.

Die für die CDU entscheidende Frage bleibt eine andere, sie lautet: „Wie hältst du‘s mit der AfD?“ Im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin wird sie fast täglich und immer gleich beantwortet: „Die Brandmauer steht.“ Parteichef Friedrich Merz kann bei Wahlveranstaltungen sehr laut werden, wenn er minutenlang betont, wie hoch, stabil und unverrückbar diese Brandmauer doch sei.

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Im Osten nicht ausgegrenzt

Doch auch er weiß: Es gibt Gegenden, besonders im Südosten Deutschlands, da ist diese Brandmauer höchstens ein durchsichtiger Vorhang, an dem beide Seiten immer wieder herumzupfen, damit genügend Lücken bleiben. Im Erfurter Landtag und im Bautzener Kreistag stimmen AfD und CDU gemeinsam ab. Sie kommen dort nicht wie anderswo aus streng abgegrenzten Milieus, sondern beide aus der thüringischen und sächsischen Mitte der Gesellschaft.

AfD Bundesparteitag in Hannover
Foto: Bjoern Hoecke und Alice Weidel
Honnover Kongresszentrum, 03.12.2017
Fotograf; Hans-Christrian Plambeck

Zehn Jahre AfD: Nach den Rechten schauen

Vor zehn Jahren wurde in Oberursel die Alternative für Deutschland gegründet. Unser Korrespondent hat ihren Aufstieg und ihre Radikalisierung jahrelang nah begleitet.

Der Berliner Soziologe Steffen Mau spricht von „Kipppunkten“, ab denen die AfD „in den lokalen Milieus eingewurzelt ist“. Besonders im Süden Ostdeutschlands sind diese Kipppunkte bereits überschritten. In vielen Klein- und Mittelstädten im Osten habe sich die AfD enttabuisiert, sei dort Teil des sozialen Alltags geworden.

Die Grünen, nicht die Rechten sind dort die Fremdkörper. Hier fand auch Maaßen Anklang, wenn er vor der Entwicklung der CDU zu einer „ökosozialistischen Partei“ warnt. Und hierher nehmen die AfD-Spitzen Alice Weidel, Tino Chrupalla und Alexander Gauland ihre Zuversicht, dass die Ostlandesverbände der CDU vielleicht schon nach den Landtagswahlen 2024 in Thüringen und Sachsen, vielleicht auch in Brandenburg, gar nicht anders können, als sich der AfD anzunähern.

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Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist das die letzte Perspektive, die eine radikalisierte AfD noch hat: Ihre Stärke im Osten könnte die CDU zum Umfallen bringen. Doch das muss nicht geschehen: Der AfD fehlt auch in ihren Hochburgen nach einer Dekade die Verwurzelung in der Lokalpolitik. Regierungsverantwortung, und sei es auf Kreisebene, wollen ihr selbst ihre Anhänger nicht übertragen.

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CDU-Chef Merz spricht schon länger nicht mehr davon, AfD-Wählerinnen und -Wähler zurückgewinnen zu wollen. Ein gesellschaftlich liberaler, schwarz-grüner Kurs hat ihr im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zwei wichtige Wahlsiege gebracht. Anderswo aber verkämpft sich die Union in identitätspolitischen Abwehrschlachten, und auch Merz (Stichwort: „kleine Paschas“) schießt immer wieder ungewollt übers Ziel hinaus.

Die Union hat eine große Chance, als konstruktive Kraft, die AfD auch im Osten auf Distanz zu halten. Sie muss sie nur ergreifen – und die Brandmauer hochziehen.

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