Als sich Pal Dardai beim Hallenmasters in der Union-Kabine entschuldigte
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Der Ur-Herthaner Pal Dardai (l.) beim Oldie-Hallenmasters im Duell mit Unions Ronny Nikol.
© Quelle: imago sportfotodienst
Berlin. Es ging eigentlich um nichts. Oder um nicht viel. Um ein klein wenig Spaß, das schon, auch um Stimmung in den Fanblöcken und um eine gute Performance im leicht fortgeschrittenen Alter. Die Stars waren nämlich nicht mehr die Jüngsten, die beim Oldie-Hallenmasters in der Max-Schmeling-Halle kickten, wo vor allem die Akteure von Hertha BSC und fast noch mehr die des 1. FC Union für eine heiße und prickelnde Atmosphäre sorgten.
Dann aber, im Januar 2020 vor dem letzten Spiel der Gruppe, in der beide Berliner Teams spielten, die Blau-Weißen aus Charlottenburg aber schon vor ihrem Match gegen Werder Bremen fürs Halbfinale qualifiziert, die Rot-Weißen aus Köpenick aber auf Schrittmacherdienste des Stadtrivalen angewiesen waren, schnappte Union-Coach Detlef Schwarz Folgendes auf: Heikko Glöde, Betreuer der Hertha-Oldies, fragte einen vorbeigehenden Bremer Spieler, einen Sieg mit wie vielen Toren Differenz Werder denn brauche, um im Turnier zu bleiben.
Werder gewann 3:1 und damit exakt so hoch, dass es hauchdünn zum Einzug ins Halbfinale reichte und die Köpenicker um einen einzigen Treffer das Nachsehen hatten. Wasser auf die Mühlen der Wuhlheider war zudem, dass Pal Dardai, mit 286 Einsätzen Herthas Bundesliga-Rekordspieler, danach in die Union-Kabine kam und sich für den Ausgang entschuldigte.
Aus dem Buch „Derby Fieber“
Dies ist ein Auszug aus dem Kapitel „Piraterie an der Spree“ von Andreas Baingo im Buch „Derby Fieber – die heißesten Fußballduelle“ (Ronny Müller, Andreas Baingo, Stephan Henke, Sebastian Stier, David Joram, 200 Seiten, 18 Euro, erschienen im Meyer & Meyer Verlag). 26 brisante Fußball-Duelle aus Deutschland und Europa haben die Autoren, von denen drei auch schon für die MAZ schrieben, unter die Lupe genommen.
Wenn so etwas schon bei den Oldies passiert, dann ist klar, dass es zwischen beiden mehr als nur knirscht. Es ist dies tatsächlich eine Geschichte wie aus mancher Ehe. Erst liebten, doch dann hassten sie sich. Wenn auch nicht bis aufs Blut, dafür trotzdem beides ziemlich innig.
Zunächst war da Zuneigung, nahezu Liebe. Kaum war die Mauer am 9. November 1989 gefallen, trafen sich beide im Olympiastadion zum Vereinigungskick. Hier wie da feierten sich die Fans selbst und fast noch mehr die anderen. Ganz vorn ein Plakat, gehalten von je einem Hertha- und einem Union-Anhänger, mit der Botschaft des Tages: Hertha und Union, ganz Deutschland feiert schon.
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Die ganze Republik, die noch nicht vereint war, feierte zwar nicht, immerhin aber 52.270 Besucher an jenem bitterkalten 27. Januar 1990, den die Blau-Weißen als 2:1-Sieger beendeten. Was damals kaum jemand für möglich hielt, weil die Fans beider Lager Arm in Arm das Olympiastadion verließen: Nie wieder kamen sich beide Vereine so nahe. Das „Rückspiel“ ein gutes halbes Jahr später, das der 1. FC Union in der Alten Försterei mit 2:1 gewann, wollten nur noch 3.800 Zuschauer sehen. Das Motto, nach dem Hertha und Union angeblich zusammengehören, war auf rätselhafte Weise verschwunden.
Von Andreas Baingo