Hertha gegen Union

Fans vor dem Berliner Stadtderby: In guten wie in schlechten Zeiten

Die Fans von Hertha BSC und Union werden ihre Clubs im Derby mit voller Kraft unterstützen.

Die Fans von Hertha BSC und Union werden ihre Clubs im Derby mit voller Kraft unterstützen.

Berlin. Es ist wieder soweit. Knapp 75 000 Zuschauer werden ins Berliner Olympiastadion pilgern, um dem Hauptstadtderby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union Berlin beizuwohnen. Für viele Berliner und auch Brandenburger wird der Anpfiff dieser besonderen Fußball-Bundesligapartie um 15.30 Uhr (live auf Sky) den Höhepunkt des Tages, für manche des Wochenendes und für einige wenige vielleicht sogar des Jahres bedeuten. Trotz vorhergesagtem Graupelschauer und Temperaturen um den Gefrierpunkt werden sie im weiten Charlottenburger Rund ausharren und ihren Club unterstützen. Wer es nicht ins Stadion schafft, hat es zwar ein wenig wärmer, aber die emotionale und zeitliche Verpflichtung ist kaum geringer. Alles für ihren Verein und ihr Derby.

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„Ein Derby bietet eine ganz besondere Brisanz. Der Begriff ist über die Jahre sehr verwässert. Hertha gegen Union ist aber noch ein klassisches Derby“, sagt Diplom-Soziologe Andreas Klose, Fan-Forscher von der Fachhochschule Potsdam. Für den 62-Jährigen, der sich seit geraumer Zeit besonders intensiv mit Netzwerken und Allianzen in Fußballstadien beschäftigt, sorgt die aktuelle sportliche Situation beider Clubs für die besondere Würze bei diesem Duell: „Es sorgt schon für eine besondere Spannung bei Fans beider Seiten, dass der Newcomer aus dem Osten in den vergangene Jahren dem arrivierten Club aus dem Westteil als Nummer eins in der Stadt abgelöst hat“, so Klose.

Ein Umstand, den selbst eingefleischte Hertha-Fans nicht mehr leugnen können. Das dritte Jahr in Folge schicken sich die Köpenicker an, in der Tabelle deutlich vor den Charlottenburgern zu landen und ebenso oft ins internationale Geschäft einzuziehen, während es bei den Blau-Weißen Jahr für Jahr gegen den Abstieg geht. „So grau wie das Wetter, so grau ist bei Hertha auch die Stimmung“, sagt auch Dirk Johl.

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35,4 Kilometer für seinen Club

Der glühende Hertha-Anhänger aus Potsdam zeigte unter der Woche, wie groß seine Hingabe für die „Alte Dame“ ist, als er eine 35,4 Kilometer lange Wanderung durch die Hauptstadt unternahm und von Lichterfelde, über Tiergarten sowie Reinickendorf bis zum Olympiastadion lief und so eine riesige „1“ als Route hinterließ.

Hertha-Trainer Dirk Johl während seiner Wanderung an der Siegessäule.

Hertha-Trainer Dirk Johl während seiner Wanderung an der Siegessäule.

„Eigentlich wollte ich damit zeigen, dass Hertha wieder die Nummer eins der Stadt werden will“, so der 52-Jährige, doch nach den beiden gewaltigen Enttäuschungen der vergangenen Woche gegen Bochum (1:3) und Wolfsburg (0:5) kassierte er die Nachricht wieder ein. „Kurz war ich vom Auftritt gegen Wolfsburg so enttäuscht, dass ich wirklich überlegt habe, nicht zu laufen. Aber dann dachte ich mir: ,Jetzt erst recht!’ Das ist besser, als einfach nur zu meckern“, so Johl, der die Bedeutung der „1“ kurzer Hand anpasste: „Wir stehen wie eine eins hinter euch.“

Das tun auch die Fans des 1. FC Union Berlin. Tausende werden ihre „Eisernen“ auch heute wieder zum Auswärtsspiel in der eigenen Stadt begleiten oder in Kneipen und Wohnzimmern Köpenicks die Partie verfolgen. So wie auch Mario Böhme aus Zühlsdorf (Oberhavel), der seit knapp 40 Jahren Union-Fan ist und seit einem Vierteljahrhundert Mitglied. Er hat seine Karte fürs heutige Spiel an einen Kumpel abgegeben, weil er erst kurzfristig wusste, ob er in der Region ist. Dafür wird er nun, wie so oft, Freunde in seinem mit Trikots, Schals und Theke ausgestatteten Union-Keller begrüßen.

Union-Keller von Böhme

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„Für viele ist Fußball mehr als 90 Minuten Sport“

„Es ist das Gemeinschaftsgefühl, was Fußball und Union für mich ausmacht – egal ob im Stadion oder in meinem Keller“, sagt Böhme, „und das Derby ist da nochmal etwas ganz besonderes.“ Alle Höhen und Tiefen habe er über die Jahre mitgemacht, die letzten seien kaum zu übertreffen gewesen. „Es ist die Energie, das gemeinsame Singen und Tanzen, man trifft Freunde und dann dazu dieser tolle Fußball“, beschreibt er das Gefühl der Gemeinschaft, welches auch Andreas Klose von der FH Potsdam als einen der wichtigsten Faktoren des Fantums erachtet: „Für viele ist Fußball mehr als 90 Minuten Sport. Es ist ein soziales Auffangbecken, das weit über die reine Spielzeit hinausgeht.“

Viel wurde in den vergangenen Jahren darüber diskutiert, ob Corona, wachsender Kommerz oder die steigenden Kosten dieses Fantum bedrohen, weil Menschen sich vom Fußball abgehängt fühlen oder sich die Preise für Stadionbesuche, Fanartikel oder TV-Abos nicht mehr leisten können. Viele Skeptiker haben wegen Corona oder der WM in Katar die Abkehr der Fans vom Fußball prophezeit. Die bisherigen Zahlen aber zeigen ein anderes Bild: Die Stadien sind weiterhin genau so voll wie vor der WM und vor der Pandemie“, so Fanforscher Klose.

Union-Anhänger Böhme weiß, wieso die negativen Schlagzeilen und steigenden Preise die Fans nicht davon abhalten können, ihrem Club die Stange zu halten. „Es ist die Liebe zum Verein. Und das wird auch immer so weitergehen. Die Leute werden den Preis weiterhin zahlen, um Teil dieser Gemeinschaft sein zu können.“ Hertha-Fan Dirk Johl sieht das nicht anders. Er bleibt seinem Verein treu, „daran ändern auch graue Wolken und null Grad nichts. Weder beim Wetter, noch bei der Laune.“

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