Chinas neue Seidenstraße: Endstation Duisburg

Großer Bahnhof für den sogenannten Yuxinou-Zug, der im März 2014 in einen Bahnhof im Duisburger Hafen einfährt. Er pendelt seitdem zwischen Europa und Asien.

Großer Bahnhof für den sogenannten Yuxinou-Zug, der im März 2014 in einen Bahnhof im Duisburger Hafen einfährt. Er pendelt seitdem zwischen Europa und Asien.

Duisburg. Hier also ist Endstation für die Züge aus Wuhan. Zwei Gleise an einem Hafenbecken in Duisburg, Hutchison-Terminal, nach 11.000 Kilometern quer durch Asien und Europa. China, Kasachstan, Russland, Belarus, Polen, bis hier, Duisburg-Ruhrort.

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Es ist nicht irgendein Ort, an dem diese Züge enden. Auf der anderen Seite des Hafenbeckens hat Götz George als Schimanski vor 40 Jahren den Mörder eines Binnenschiffers gesucht, „Ruhrort“ hieß auch der Film, es war der Beginn einer großen Geschichte.

Für Erich Staake aber, der auf dem Balkon im dritten Stock des Duisport-Sitzes steht, wie der Duisburger Hafen inzwischen heißt, für Staake also steht fest, dass die Geschichte eine viel größere wird oder vielleicht längst ist. Er zeigt zu dem Meer aus Containern, Kränen, Gleisen. „Das ist eine Dimension, die finden Sie im europäischen Binnenland woanders so nicht“, sagt er.

Es geht wieder bergauf

Erich Staake, 67 Jahre alt und einer der wenigen, die es schaffen, ein lila Einstecktuch im Sakko zu tragen und dennoch diese spezielle ruhrpöttische Bodenständigkeit zu verkörpern, dieser Mann also ist seit 23 Jahren Chef des Duisburger Hafens, des größten Binnenhafens Europas. Damals war Gerhard Schröder Kanzler, sie treffen sich noch heute regelmäßig. Was sie verbindet, sind eine Vorliebe für Zigarren, Borussia Dortmund und wohl auch die Neigung, geschäftlichen Verbindungen mit autoritären Regimen nicht gar zu skeptisch gegenüberzustehen.

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Erich Staake steht in Duisburg gerade wegen angeblicher Impfdrängelei in der Kritik, und auch, weil er zwischen privaten und geschäftlichen Interessen nicht ausreichend unterschieden haben soll, was er strikt zurückweist, als Intrige von einigen, die ihm den Erfolg neiden.

Als Staake begann, war dieser Hafen eine brache Einrichtung, orientierungslos und unterbeschäftigt nach der Krise der Stahlindus­trie. Seitdem ging es bergauf. Achtmal so viele Mitarbeitenden, jedes Jahr mehr Gewinn, zehnmal so viele Güter, das ist die Bilanz bis heute. Inzwischen werden hier fast so viele Container umgeschlagen wie zum Beispiel in den Seehäfen Bremen und Bremerhaven. Und das hat auch damit zu tun, dass Duisburg seit 2014 Endstation ist.

Chinas Staatschef Xi Jinping (links) stellt 2014 das Seidenstraßenprojekt vor und begrüßt Erich Staake, Geschäftsführer des Hafens. Im Hintergrund der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Chinas Staatschef Xi Jinping (links) stellt 2014 das Seidenstraßenprojekt vor und begrüßt Erich Staake, Geschäftsführer des Hafens. Im Hintergrund der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Damals kam Chinas Präsident Xi Jinping nach Duisburg und machte die Stadt gleichsam offiziell zum Endpunkt seines Projekts „one belt, one road“, der Neuen Seidenstraße, genau genommen eines Geflechts von Handelswegen, das China mit der Welt verbindet. Duisburg ist da nicht der einzige Endpunkt, aber den Bedeutungsgewinn nehmen sie in dieser gebeutelten Stadt gerne mit.

Jedenfalls erzählen sie gern die Geschichte von den chinesischen Landkarten, auf denen Duisburg größer eingezeichnet sei als London, Paris und Berlin. „Es gibt dort inzwischen Menschen, die Duisburg für die Hauptstadt Deutschlands halten“, sagt Staake, der nach seinen eigenen Worten fünfmal im Jahr in China ist. Es ist einer jener Irrtümer über die eigene Stadt, denen man im Falle Duisburgs wohl gern mal halbherzig entgegentritt.

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Es ist jedenfalls ein sehr ungleiches Paar, das die Neue Seidenstraße da zusammenbindet. Da ist, auf der einen Seite, China, für dessen Präsidenten Xi Jinping diese Handelsrouten auch ein Weg sind, über Projekte und Kredite Einfluss zu gewinnen. Ein Machtinstrument, so stark, dass US-Präsident Joe Biden dem jetzt eine eigene Handelsroute entgegensetzen will, eine Seidenstraße demokratischer Staaten. So hat er es bei seinem Europabesuch gerade angekündigt. Und da ist, auf der anderen Seite, Duisburg, das den Niedergang der Stahlindustrie noch nicht ganz verdaut hat. Bei 12,4 Prozent lag die Arbeitslosigkeit zuletzt, eine der höchsten Quoten in Deutschland. Da sehen viele in der direkten Verbindung mit der bald stärksten Wirtschaftsnation der Welt natürlich eine große Chance.

China: Retter oder Bedrohung?

China, der Retter. Aber für manche liegt darin auch eine Gefahr. China, die Bedrohung. Markus Teuber gehört zu Ersteren: „Für uns ist die Neue Seidenstraße eine Chance, die wir ergreifen müssen“, sagt er. Seit einem Monat ist er China-Beauftragter von Duisburg – ein Amt, das die Stadt 2014 nach dem Xi-Besuch geschaffen hat. Außerdem soll es bald im Rathaus ein China-Referat geben, eine Stelle, die sich um alle Anfragen mit China-Bezug kümmert, um Kitaplätze genauso wie um Gewerbeflächen.

„Duisburg, die China-Stadt“ – stimmt der Slogan der Stadt also vielleicht schon? „Wir sind auf dem Weg dahin“, sagt Teuber. Und wenn sich an dem Terminal im Hafen die chinesische Staatsreederei Cosco mit 30 Prozent beteiligt: Ist das vielleicht schon etwas viel Einfluss? Es handele sich bewusst um eine Minderheitsbeteiligung, betont Teuber. „Wir handeln in solchen Fragen strikt im eigenen Interesse.“ Und in diesem Fall sei das Interesse Duisburgs eben, dass Cosco gute Bedingungen vorfinde. Das Menetekel ist in solchen Fragen immer Piräus. Der größte griechische Hafen gehört inzwischen den Chinesen. Der Duisburger Hafen sei und bleibe in öffentlicher Hand, versichern sie hier.

Aber das Problem ist für Teuber auch nicht, dass es gerade zu viel China in Duisburg gäbe, sondern eher zu wenig.

60 Züge – statt 35

Dabei lief es zuletzt doch ziemlich gut. Statt bislang 35 kommen seit dem vergangenen Jahr 60 Züge aus China nach Duisburg. Das ist, verglichen mit dem, was ein einziger Containerfrachter auf einer Tour nach Europa bringt, sehr bescheiden. Aber der Zug ist viermal so schnell wie der Frachter – und deutlich billiger als das Flugzeug.

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Und wenn die Züge kommen, dann kommen auch die Unternehmen, so rechnen sie in Duisburg. Was auch stimmt. Gab es 2014 ganze 40 chinesische Unternehmen in der Stadt, so sind es jetzt 120. Nur kommen die meisten zunächst mit kleinem Gepäck, mit einem Büro mit einer Hand voll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Viele warten zunächst ab, bevor sie mehr Leute einstellen oder nachholen.

Auch deshalb ist es für Duisburg ein gutes Zeichen, dass sich Kai Yu hier wohlfühlt. Kai Yu ist 35 Jahre alt, sie stammt aus Nanjing, einer ­6-Millionen-Einwohner-Metropole nahe Shanghai, seit 2017 lebt sie in Duisburg. Im Auftrag der Wirtschaftsförderung vermittelt sie zwischen chinesischen Unternehmen und deutschen Behörden. Das heißt, zum Beispiel: Sie bringt den Deutschen bei, dass die Chinesen mit einem Nein so ihre Schwierigkeiten haben. Und vermittelt den Chinesen, dass sie es nicht persönlich nehmen sollen, dass in Deutschland manches Projekt noch durchdacht wird, während in China schon nach einem Monat das Haus steht.

„Es ist spannend in Duisburg“: Kai Yu vermittelt zwischen chinesischen Firmen und deutschen Behörden.

„Es ist spannend in Duisburg“: Kai Yu vermittelt zwischen chinesischen Firmen und deutschen Behörden.

Aber wie fühlt man sich als Chinesin in Duisburg, dieser doch arg rauen Stadt? Da erzählt sie von dem chinesischen Supermarkt, den es in ihrem Viertel, in Neudorf, inzwischen gibt. Von der „salzigen Ente“, einem Gericht aus Nanjing, das sie hier bekommt, vom Bubble Tea, vom Drachenbootfest. Sie „finde es spannend hier“, sagt sie.

Spannend. Das ist, aus dem Mund einer Chinesin, ja auch erst mal ein bemerkenswerter Satz.

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Aber es gibt auch hier Menschen, denen bei der China-Werdung Duisburgs nicht ganz wohl ist. Die es als Widerspruch empfinden, dass einerseits die EU das Investitionsabkommen mit China wegen des Streits über die Unterdrückung der Uiguren stoppt, andererseits aber Duisburg eine Strategie der kaum begrenzten Öffnung verfolgt.

„Die politische Linie der EU und der Stadt dürfen sich nicht grundsätzlich widersprechen“, sagt etwa Felix Lütke, 33 Jahre alt, einer der Sprecher der Grünen im Rat. „Duisburg muss eine sichere Stadt bleiben für Menschen aus China, die das Land verlassen haben, weil sie das Regime kritisieren.“ Eine Bemerkung, die vor allem dann verständlich wird, wenn man weiß, dass Duisburg sein Konzept einer digitalen Stadt mit WLAN für alle von Huawei umsetzen lassen wollte, dem größten chinesischen Telekommunikationsunternehmen, um dessen Rolle beim 5G-Ausbau es weltweit viel Streit gab.

Mehr als kühle Ansiedlung

Aber das sind Töne, die in einer Stadt, die auf Belebung angewiesen ist, nicht laut durchdringen. „Wir müssen die Chance sehen und versuchen, sie zu nutzen“, sagt Rasmus C. Beck, der Chef der Duisburger Wirtschaftsförderung. Ausgerechnet er ist es, der betont, dass es ja um mehr gehe als kühle Ansiedlung. Von den 2000 chinesischen Studierenden schwärmt er und davon, dass es um eine andere Atmosphäre gehen müsse. „Was Düsseldorf für die Japaner ist, das könnte Duisburg für Chinesen werden“, sagt Beck.

Das ist der Plan. Und Liang Zhou ist vorbereitet. In einem Kellerlokal in der Duisburger Einkaufsstraße, hat der 31-Jährige das Nan eröffnet, ein China-Restaurant mit zwei Karten: einer germano-chinesischen mit Curryhuhn und knuspriger Ente – und einer authentischen mit Hühnerfüßen mit scharfer Sauce, gebratener Kronenwucherblume und Schweinebauch mit Peperoni, Z  24 übrigens.

Hofft auf mehr Chinesen in der Stadt: Restaurantbetreiber Liang Zhou ist vorbereitet.

Hofft auf mehr Chinesen in der Stadt: Restaurantbetreiber Liang Zhou ist vorbereitet.

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Zhou war nach dem BWL-Studium in Duisburg geblieben. Sein Stolz steht in der Küche, acht Pfannen mit Drehaufsatz. „Direkt aus China importiert“, versichert er, „als einzige in Deutschland“. Der Vorteil: Sogar seine Aushilfe aus Oberhausen könne damit doppelt so viel Umsatz in der Stunde erkochen wie ein ausgebildeter Koch. Bedauerlich sei eigentlich nur, dass 99 Prozent der Kunden die gängigen Gerichte bestellten. Es lebten zwar immer mehr Chinesen in der Stadt, sagt er. Aber aus seiner Sicht sollten am besten noch ein paar dazukommen. Pfannen jedenfalls hat Herr Zhou genug.

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