Krisenmanager Asmussen zur Bankrettung: „Die Risiken liegen auf der Hand“
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Jörg Asmussen führt seit 2020 den Gesamtverband der Versicherer.
© Quelle: GDV
Als im September 2008 die US-Investmentbank Lehman kollabierte, war Jörg Asmussen seit wenigen Monaten Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Gemeinsam mit seinem Studienkollegen Jens Weidmann, damals im Kanzleramt, und ihrem früheren Professor Axel Weber als Bundesbankpräsident gehörte er in Deutschland zu den wichtigsten Krisenmanagern. Inzwischen ist der 56-Jährige Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die jüngste Rettungsaktion für die Credit Suisse sieht er mit gemischten Gefühlen: unvermeidlich, aber mit ungewissen Folgen.
Am vergangenen Wochenende wurde in Zürich hektisch die Großbank Credit Suisse gerettet. Hatten Sie da ein Déjà-vu, Herr Asmussen?
Ja, so ein bisschen schon. Ich hatte einigen Kontakt zu den Beteiligten, manche waren ja schon vor 15 Jahren dabei, als die Finanzkrise ausbrach. Und natürlich stellt sich die Frage: Sind wir wieder an dem Punkt oder nicht? Ist wieder das ganze System gefährdet?
Und, was sagen Sie?
Das wird Sie jetzt nicht zufriedenstellen, aber ehrlich: Ich weiß es nicht. Nach so wenigen Tagen kann man das einfach nicht sagen. Kurzfristig wurde aber die Stabilität des Finanzsystems sichergestellt, das ist gelungen. Langfristige Auswirkungen bleiben abzuwarten.
Die Börse hat sich ziemlich schnell entspannt, selbst Bankaktien sind wieder gestiegen.
Nun ja, die wie ich Älteren erinnern sich: Die erste Woche nach dem Lehman-Zusammenbruch war an den Märkten relativ ruhig. Das fraß sich zwei Wochen lang durch das System – dann war der Interbankenmarkt komplett eingefroren, und die Krise war da.
Hat Sie die akute Zuspitzung in der Schweiz überrascht?
Die Probleme der Credit Suisse wie schwache interne Kontrollen waren nicht neu, aber es ist kein direkter Ansteckungskanal zu US-Instituten wie der Silicon Valley Bank zu erkennen, wo die Unruhe begonnen hat. Die Geschäftsmodelle sind verschieden, die Probleme sind verschieden. Die Gemeinsamkeit ist der Vertrauensverlust. Beim Schwächsten ziehen Anleger und Kunden dann ihr Geld ab.
War es nicht genauso 2008, rund um den Lehman-Zusammenbruch?
Es gibt einen wichtigen Unterschied. Damals drehte sich anfangs alles um die Verluste bei bestimmten Vermögenswerten, den Subprime-Hypotheken. Diese eine Assetklasse als Ursache ist bisher nicht zu erkennen – das ist positiv.
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© Quelle: Reuters
Es gibt keine Ansteckungsgefahr?
Ich sehe im Moment keine Ansteckungsgefahr, aber wie gesagt: Das lässt sich noch nicht verlässlich beurteilen. Es ist jetzt weder die Zeit für Katastrophengeschrei noch für Entwarnung. Wir werden noch für einige Wochen sehr wachsam sein müssen. Die Ansteckungsgefahr für andere Institute liegt vor allem in der Unsicherheit.
In der Schweiz haben Regierung und Finanzaufsicht dafür gesorgt, dass die gesunde UBS die angeschlagene Credit Suisse übernimmt. War das richtig?
So viele Möglichkeiten gab es nicht. Wenn eine Bank bedroht ist, kann man sie fusionieren, verstaatlichen oder abwickeln. Man hat sich für die Fusion entschieden und das erst einmal ordentlich gemacht. Aber natürlich birgt jede Rettung Risiken, und hier liegen sie auf der Hand: Mit der neuen UBS wird es in der Schweiz künftig eine Bank geben, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes.
Auch die UBS musste 2009 schon einmal gerettet werden. Beim nächsten Mal wäre sie zu groß?
Schon die Credit Suisse allein ist eine global systemrelevante Bank in einem sehr kleinen Land außerhalb der EZB- und EU-Mechanismen. Das erklärt zum Teil die besonderen Schwierigkeiten.
Das Too-big-to-fail-Problem ist für die Schweiz größer, nicht kleiner geworden.
Jörg Asmussen
In der Eurozone wäre das so nicht passiert?
Wir sind besser aufgestellt als 2008. Die Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität sind deutlich höher, es gibt eine europaweite Aufsicht über die großen Bankengruppen und eine gemeinsame Abwicklungsbehörde für den Fall der Fälle, das Single Resolution Board in Brüssel. Wir haben den Instrumentenkasten deutlich weiterentwickelt. Tatsache ist, dass die Schweiz nicht Mitglied ist – sie ist in dieser Hinsicht eine Insel in Europa.
… deren Banken trotzdem in alle Welt ausstrahlen. Müsste sich die Schweiz angesichts eines Großrisikos wie der UBS nicht der Regulierung der Eurozone anschließen?
Das Too-big-to-fail-Problem ist für die Schweiz größer, nicht kleiner geworden. Das ist ein wesentlicher Effekt des Rettungswochenendes. Aber was wäre die Alternative gewesen? Jedes Krisenmanagement, ob bei Finanzmärkten oder Pandemien, hat unerwünschte Nebeneffekte.
Die Finanzbranche – auch die Versicherungswirtschaft – hat die strenge Regulierung oft kritisiert. Zu Recht?
Wir sind ein hochregulierter Sektor, und das soll auch so sein. Man kann aber zu Recht viel über den administrativen Aufwand klagen: Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Abläufe endlich konsequent digitalisiert würden – dafür arbeiten wir jeden Tag. Aber die Regeln für Eigenkapital und Liquidität sind im Prinzip unumstritten. Und nebenbei: Die europäischen Versicherungen waren in der Krise vor 15 Jahren nicht Teil des Problems und sind es heute auch nicht.
Ob sie es werden, hängt auch davon ab, welche Probleme noch aufploppen. Was fürchten Sie?
Die deutschen Versicherer sind stabil. Aber die Erfahrung sagt auch: Man merkt erst in der Krise, was man nicht wusste. Deshalb sind Kapitalpuffer so wichtig, sie stabilisieren unabhängig vom akuten Problem. Lange hat man gesagt, dass die schwach regulierten Hedgefonds die nächste Krise auslösen würden – aber das ist aktuell nicht zu sehen. Jetzt blicken alle auf die Gewerbeimmobilien, die deutlich an Wert verloren haben – aber auch sie sind bisher nicht involviert. Das Wichtigste ist jetzt, Vertrauen zu schaffen – und da bemühen sich ja alle. Kanzler und Finanzminister haben die Sicherheit der Bankeinlagen betont, die Zentralbanken haben koordiniert Dollar-Liquidität bereitgestellt.
Was ist mit der Zinswende? Die steigenden Zinsen drücken automatisch den Wert von Anleihen, in denen gerade die Versicherer riesige Summen angelegt haben. Tickt da nicht eine Zeitbombe in den Bilanzen?
Fast alle Banken, Sparkassen und Versicherungen haben jetzt stille Lasten in den Büchern: Die Anleihen sind weniger wert als vor Beginn des Zinsanstiegs. Sie werden aber von den Schuldnern – meistens Staaten – am Ende der Laufzeit zum vollen Wert zurückgezahlt. Das ist also alles kein Problem, wenn die Papiere bis zur Fälligkeit gehalten werden.
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Die Silicon Valley Bank ist daran pleite gegangen …
… weil sie die Anleihen wegen des Kundenansturms vorzeitig mit Wertverlust verkaufen musste und dieses Risiko nicht abgesichert hatte.
Das kann den Versicherungen nicht passieren?
Die Versicherer halten die Anleihen in der Regel bis zur Fälligkeit und bekommen dann den Nennwert zurück. Alle Wertveränderungen bis dahin stehen nur auf dem Papier.
Trotzdem belasten die Verluste bei Anleihen den Finanzsektor erheblich. Müssen die Notenbanken mit ihren Zinserhöhungen aufhören, damit wieder Ruhe einkehrt?
Das ist ein Zielkonflikt, eine schwierige Abwägung zwischen Preis- und Finanzmarktstabilität. Die EZB hat sich vergangene Woche klar entschieden und die Leitzinsen wie angekündigt um 50 Basispunkte erhöht. Das halte ich für richtig, denn in der Eurozone gilt der Vorrang der Preisstabilität. Einige rechnen jetzt mit einer etwas weniger straffen Geldpolitik, aber ich glaube, die EZB wird sich richtigerweise nicht erweichen lassen. Sie wird an der Bekämpfung der Inflation gemessen – und die ist bekanntlich immer noch zu hoch.