Letzter Ausweg: Siemens Energy will kriselndes Windgeschäft von der Börse nehmen
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Speziell mit Windkraftanlagen an Land hat Siemens Gamesa derzeit große hausgemachte Probleme.
© Quelle: Joachim Duerheide Archiv
München. Es ist ein mutmaßlich letzter und teurer Sanierungsversuch. „Wir wollen Siemens Gamesa voll übernehmen und von der spanischen Börse nehmen“, betont der Vorstandschef von Siemens Energy, Christian Bruch. Das fehlende Drittel der spanischen Windkrafttochter würde bei den von Siemens Energy angebotenen 18,05 Euro pro Aktie rund 4 Milliarden Euro kosten. Das ist ein Aufschlag von 28 Prozent auf jüngste Kurse und Geld, das eigentlich im operativen Geschäft zur Energiewende benötigt würde.
Börsianer sind enttäuscht
Vor Jahresfrist kostete eine Gamesa-Aktie noch 33 Euro. Unklar ist, ob die jetzt gebotene Summe reicht. Börsianer zeigten sich vom Angebot enttäuscht. Bruch braucht mindestens drei Viertel an Gamesa, um das Problemkind von der spanischen Börse nehmen und durchregieren zu können.
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Skurriler Streit: Wenn die Energiewende auf Denkmalschutz trifft
In Niedersachsen hat ein Gericht nach acht Jahren Planung den Bau von vier Windkraftanlagen gestoppt, weil diese den optischen Eindruck einer benachbarten Windmühle stören. Oder doch nicht? Ein kleines Lehrstück, wie mit Bildern gelogen und Politik gemacht wird.
Mit einem solchen Minimum will sich der Manager aber nicht begnügen. Die Tochter soll rasch vollständig integriert werden. „Die Notwendigkeit zu reagieren hat sich erhöht“, räumt Bruch ein. Bis Ende des Jahres soll die Transaktion, für die es verbindliche Kreditzusagen zweier Großbanken gibt, vollzogen sein. Bis zu 2,5 Milliarden Euro will Siemens Energy durch Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Instrumente aufbringen.
Das heißt, auch eine Kapitalerhöhung ist möglich, und das noch vor September, was wiederum die Aktie von Siemens Energy unter Druck bringen dürfte. Die Möglichkeit, dass ein aggressiver Investor das für einen Einstieg bei Siemens Energy nutzen könnte, will Bruch nicht kommentieren. Als unbegründet vom Tisch wischen kann er sie nicht.
Im Reich von Siemens gibt es Beispiele von in die Freiheit entlassenen Geschäften, denen das nicht bekommen ist. Osram ist das jüngste davon. Die Lichttochter ist unter dem Dach der österreichischen Halbleiterfirma AMS verschwunden, nachdem der Osram-Kurs immer mehr verfallen war.
Klar ist auch, dass Bruch das Gegenteil will, nämlich das Heft des Handelns endlich voll in die Hand bekommen. Vier Quartale und damit ein ganzes Jahr in Folge hat Siemens Gamesa alle Geschäftsprognosen verfehlt, Börsen geschockt und Siemens Energy in Mitleidenschaft gezogen. Zwar ist der Windmarkt derzeit allgemein schwierig. Aber die Spanier haben vor allem hausgemachte Probleme mit einer neuen Windturbine.
Mutterkonzern Siemens macht Druck wegen der Windkraft
Um die in den Griff zu bekommen, wurde mehrfach das Management ausgewechselt. Derzeit versucht sich Jochen Eickholt als dritter Gamesa-Chef binnen zwei Jahren als Sanierer. Aber auch unter seiner Kontrolle wurde es nochmals schlechter statt besser. Auch der noch mit einem Viertel am abgespaltenen Kraftwerkskonzern beteiligte Münchner Siemens-Konzern hat die Geduld verloren und Bruch zum Durchgreifen gedrängt. „Es ist kritisch, dass der Abwärtstrend bei Siemens Gamesa schnell gestoppt wird“, mahnt der ehemalige Siemens-Chef und jetzige Siemens-Energy-Oberaufseher Joe Kaeser.
Siemens möchte endlich ganz aus Siemens Energy aussteigen, kann aber nicht, weil der Aktienkurs wegen der spanischen Probleme am Boden liegt. Auch bei Bruch selbst ist die Erkenntnis gereift, dass es in derzeitigen Strukturen nicht geht. Er will mit seinem Konzern Gestalter der Energiewende sein und nicht Getriebener.
Siemens Energy war von Anfang an ein Konstruktionsfehler. Denn ausgerechnet das für die Zukunft der Kraftwerksbranche stehende Windgeschäft notierte eigenständig an der Börse in Spanien. Mit aktuell 67 Prozent Anteil an Gamesa konnte Siemens Energy nie durchregieren. Aber auch bei voller Kontrolle werde es keine schnelle Trendwende geben, mahnt Bruch.
„Das braucht Zeit“, meinte er auf Nachfrage und sprach von mittelfristiger Gesundung. Zwei bis drei Jahre, heißt das. Sobald Siemens Gamesa vollständig integriert sei, dauere es rund drei Jahre, um jährliche Kostensynergien von 300 Millionen Euro zu heben. Stellenabbau sei aus heutiger Sicht nicht nötig. Wenn das Windgeschäft läuft und profitabel wächst, seien bis 2030 dann weitere Umsatzsynergien von bis zu einer halben Milliarde Euro drin. Für Geld in der Kasse von Siemens Energy sorgt derzeit das eigentlich als Auslaufmodell identifizierte Geschäft mit fossilen Kraftwerken, was eigentlich eine verkehrte Welt ist.