Morgens futtern, abends fasten? Das sind die Grundvoraussetzungen für gesundes Essen
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Wer sich ausgewogen ernähren möchte, kann sich an der Tellermethode orientieren: Demnach soll Eiweißhaltiges ein Viertel des Tellers bedecken, Beilagen sollen ein weiteres Viertel und Gemüse oder Salat die restliche Hälfte ausmachen.
© Quelle: imago images/Addictive Stock
Morgenmenschen springen energiegeladen aus dem Bett und können schon bei der ersten Dämmerung ein Riesenfrühstück verputzen. Möglicherweise fällt es ihnen dadurch leichter, ihr Gewicht zu halten: Es gibt Hinweise darauf, dass der Körper am Morgen mehr Energie verbrennt, große Kalorienmengen am Abend dagegen stärker auf die Hüften schlagen. Ist es also gesund, morgens zu futtern und abends zu fasten? „Einseitige Aussagen stimmen so oft nicht“, gibt der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der TU München zu bedenken. „Man sollte dem Rechnung tragen, dass beim Ernährungsverhalten nicht alle gleich sind.“
Tendenziell sprechen Studien dafür, dass ein üppiges Frühstück gesünder ist als ein umfangreiches Abendessen: „Es wirkt sich günstiger auf den Stoffwechsel aus, wenn man mehr Kalorien in der ersten Tageshälfte als in der zweiten zu sich nimmt“, sagt Olga Ramich, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (Dife).
Blutzuckerspiegel steigt weniger stark
In diese Richtung geht auch eine Studie der Sektion Psychoneurobiologie der Universität Lübeck. Darin erhielten 16 normalgewichtige Männer entweder ein kalorienreiches Frühstück und ein kalorienarmes Abendessen oder umgekehrt. Nach den Mahlzeiten wurde die nahrungsinduzierte Thermogenese (Nit) gemessen, die anzeigt, wie viele Kalorien der Körper in Wärme umgewandelt hat. Dabei stellte sich heraus, dass das Frühstück im Vergleich zum Abendessen zu einer zweieinhalbfach höheren Nit führte. Außerdem stiegen der Blutzucker- und der Insulinspiegel nach dem Frühstück im Vergleich zum Abendessen viel weniger stark.
Hormonproduktion spielt wichtige Rolle
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Hormonproduktion, die sich je nach Tageszeit unterscheidet: Morgens wird unter anderem vermehrt das Stresshormon Cortisol, abends das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet. Das hat weitreichende Auswirkungen auf den Stoffwechsel. „Es ist nicht gut, zu spät zu Abend zu essen“, sagt Ramich. „Zwischen Mahlzeit und Schlaf sollten mindestens drei Stunden liegen.“
Spät abends stellt sich der Körper auf Ruhe ein, und der Stoffwechsel ist nicht mehr auf Energieverbrauch ausgelegt. Daher legt man bei nächtlichen Mahlzeiten eher zu, außerdem wird der Schlaf dadurch beeinträchtigt. Dass es problematisch ist, entgegen der inneren Uhr zu leben, zeigen auch Untersuchungen an Schichtarbeitern: Sie haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Schlafstörungen und Diabetes.
Morgendliches Fasten fördert Heißhungerattacken
Das alles dürfte Menschen vom Chronotyp „Lerche“ freuen, die sich gern an das viel beschworene „Frühstücken wie ein Kaiser“ halten. Aber was ist mit Morgenmuffeln? „Es ist umstritten, ob ein großes Frühstück wichtig ist“, sagt Hauner. „Ich würde das eher verneinen. Wer gern ausgiebig frühstückt, kann das tun. Wer es nicht mag, muss sich nicht zwingen.“ Nachteulen legt Hauner aber zumindest ein leichtes Frühstück ans Herz: „Ein Müsli mit fettreduzierter Milch ist ein guter Start in den Tag.“ Wer morgens komplett fastet, laufe Gefahr, später vor lauter Heißhunger zu viel zu essen.
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Anette Buyken, Professorin für Public Health Nutrition an der Universität Paderborn, steht der These vom gesunden Frühstück noch skeptischer gegenüber. „Die Behauptung, ein großes Frühstück diene der Prävention von Übergewicht, ist an sich schon widersinnig.“ Eine Metaanalyse von Interventionsstudien habe vielmehr gezeigt, dass ein Verzicht aufs Frühstück leicht gewichtsreduzierend wirke. „Es ist kein Drama, wenn jemand ohne Frühstück aus dem Haus geht“, betont sie. Um Heißhunger im Verlauf des Tages zu vermeiden, sei für viele „Eulen“ ein spätes Frühstück in Büro oder Schule sinnvoll.
Überhaupt muss der Chronotyp Buykens Meinung nach bei Ernährungsempfehlungen viel stärker berücksichtigt werden. Ob es schädlich sei, gegen den Chronotyp anzuessen, sei bislang noch eine Forschungslücke. Eine Studie, die sie und ihr Team gerade beendet haben, soll dazu beitragen, sie zu schließen. Die Auswertung läuft noch.
Wissenschaftlerin rät zur Tellermethode
Es kommt aber nicht nur auf die Uhrzeit, sondern auch auf die Zusammensetzung der Mahlzeiten und den individuellen Gesundheitszustand an. So konnten Olga Ramich und ihr Team in einer Studie zeigen, dass Fette und Kohlenhydrate je nach Uhrzeit unterschiedlich vom Körper verarbeitet werden. „Wer ein hohes Risiko für Diabetes hat, sollte es vermeiden, abends große Mengen an Kohlenhydraten zu sich zu nehmen“, sagt Ramich.
Buyken rät auch allen anderen, abends auf ungünstige Kohlenhydrate zu verzichten. Hilfreich findet sie die Tellermethode: Demnach soll Eiweißhaltiges ein Viertel des Tellers bedecken, Beilagen ein weiteres Viertel, Gemüse oder Salat die restliche Hälfte.
Grundvoraussetzungen für gesundes Essen
Feste Zeiten: Wer eine klare Struktur mit festen Mahlzeiten hat, macht schon vieles richtig. Das beugt Ernährungsexperten zufolge auch Essstörungen vor. Außerdem kann unbefriedigendes Dauersnacking dazu führen, dass sich kein normales Hunger- und Sättigungsgefühl mehr einstellt, insgesamt viel zu viel gegessen wird – und am Ende die Waage ausschlägt.
Keine späten Kalorienbomben: Wer spät abends große Mengen isst, schläft oft schlechter und läuft eher Gefahr zuzunehmen. Vor allem bei ungünstigen Kohlenhydraten wie Limonade, Keksen, Weißbrot oder Pizza sollte man aufpassen. Empfehlenswerter sind Suppen, Gemüsegerichte oder Salate.
Auf den Körper hören: Wem jegliches Essen am frühen Morgen widerstrebt, der muss sich nicht quälen. Vielen „Eulen“ reicht ein Kaffee oder Tee, erst später bekommen sie Appetit. Deshalb ist es sinnvoll, wenn sie sich zum Beispiel Müsli und Obst für ein spätes Frühstück mit zur Arbeit nehmen. Kinder, die morgens partout nichts essen wollen, kann man ein Glas Milch anbieten und einen Imbiss mitgeben.
Bewusstes Genießen: Wer langsam und bewusst isst, hat mehr Freude an den Mahlzeiten und empfindet sie als befriedigender. Hastiges Schlingen verführt dagegen eher dazu, zu viel zu essen. Deshalb sollte man sich für Mahlzeiten eine Pause nehmen und nicht aufs Handy schauen.